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Kinderporno aus
Herford im Netz

OLG hob Haftbefehl gegen Vater auf

Von Uwe Koch
Herford/Bielefeld (HK). Einer der skandalösesten Fälle von Kindesmissbrauch wird in wenigen Tagen vor dem Landgericht Bielefeld beginnen: Ein Herforder soll seine erst siebenjährige Tochter missbraucht und die Porno-Darstellungen ins Internet gestellt haben. Unglaublich: Das Oberlandesgericht Hamm wollte den Mann aus der Haft entlassen, hob sogar aus fragwürdigen formaljuristischen Gründen den Haftbefehl auf.

Schon allein die Festnahme des heute 53-jährigen Herforders war am 6. Juli 2005 ein Stück aus dem Tollhaus: Als die Polizeibeamten die Wohnung des Arbeiters Werner R. durchsuchten, wurde die Szene über eine Web-Kamera des Beschuldigten über die Internetseite www.oldie1952.de übertragen. Kollegen bei der Herforder Kriminalpolizei beobachteten die Amtshandlung damals live.
Die Ermittlungen in Gang gebracht hatten englische Polizeibeamte. Die Behörden auf der britischen Insel gelten in Sachen Kindesmissbrauch und Kinderpornographie als extrem energisch und unnachsichtig. Sie hatten über das Landeskriminalamt der Herforder Kripo den Tipp gegeben, R. sei Betreiber einer Web-Seite, über die Kinderpornographie weltweit ausgestrahlt werde.
Auf dem Computer des früheren Außendienstlers eines Lebensmittelvertriebes wurden die Herforder Beamten fündig: Zu sehen waren Missbrauchshandlungen, deren Opfer die damals erst sieben Jahre junge Tochter Melanie (Name des Mädchens geändert) des Beschuldigten war. R. spielte die offensichtlich perversen Taten herunter, bezeichnete sie als »Turnübungen«.
Der Mann ging am 7. Juli 2005 in Haft. Staatsanwalt Lothar Hirschberg klagte Werner R. des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern an, da auch die Veröffentlichung von Kinderpornographie diesen Straftatbestand erfüllt. Die 3. Strafkammer des Landgerichts hatte den Haftbefehl am 17. September 2005 neu gefasst und die Fortdauer der Haft mit »Fluchtgefahr« begründet. R. hatte die Taten bestritten, war obendrein von seiner Ehefrau bestärkt worden. Die während der Woche auswärts tätige Pädagogin hatte Missbrauchshandlungen an der Tochter ebenso bestritten. Stutzig waren Ermittler geworden, da auch die Frau auf der Internetseite als Lustobjekt zu sehen war.
Im Rahmen der obligatorischen Sechs-Monats-Prüfung von Haftsachen sorgte das Oberlandesgericht Hamm nun für einen Paukenschlag: Die Richter verneinten die Fluchtgefahr, bejahten jedoch eine »Wiederholungsgefahr« der Taten. Aus formaljuristischen Gründen - das Landgericht habe es im September 2005 unterlassen, Wiederholungsgefahr im Haftbefehl festzuschreiben - müsse der Haftbefehl aber aufgehoben werden, sagte das OLG am 19. Januar.
Eigentlich hätte Werner R. nun am 19. Januar aus der Haft entlassen werden müssen, doch die notwendigen Schritte dazu unterließ das OLG Hamm. Das Landgericht Bielefeld reagierte am selben Tag, fasste den Haftbefehl noch einmal neu. Ergebnis: Der Herforder sitzt weiterhin in Haft. Der Prozess gegen ihn wird am 7. Februar im Landgericht beginnen.

Artikel vom 02.02.2006