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Werbung in der Scheinwelt
Unternehmen wie Coca Cola platzieren Banner in den Videospielen
Die Wirtschaft hat Videospiele als Werbefläche entdeckt. Automobilhersteller wie Audi, Ford und Porsche verkaufen Lizenzen an die Software-Entwickler, und Bandenwerbung gibt es längst nicht mehr nur in den echten Stadien.
Bei den aktuellen Fußball-Simulationen wie »FIFA 06« von Electronic Arts prangt Werbung auf den Spielertrikots genauso wie auf den Banden rund ums Rasenviereck. Die Jugendlichen stört das nicht, im Gegenteil: sie erwarten es geradezu. Werbung für Markenartikel steigere die Akzeptanz eines Spiels, sagte Stephan Steininger vom Branchenfachblatt »GamesMarkt« in München dieser Zeitung. Weil Fußball-Fans die bunten Banner durch persönliche Stadionbesuche kennen, würde ihnen der Verzicht darauf bei der virtuellen Umsetzung des Ballsports übel aufstoßen.
Egal ob Fußball oder Autorennen: Die Entwickler wollen »die Welt realistisch nachbauen«, wie es Olaf Wolters vom Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) in Berlin ausdrückt. In dem Verband haben sich die großen Hersteller und Vertreiber wie Electronic Arts oder Ubisoft zusammengeschlossen. Der Anspruch, realitätsnahe Spielumgebungen wie zum Beispiel Großstädte mit ihrer typischen Leuchtreklame zu schaffen, kommt der Wirtschaft bei dem Versuch gerade recht, neue Wege zu finden, um an die so begehrte junge Zielgruppe heranzukommen. Unternehmen wie Coca Cola, T-Mobile oder Nestlé kaufen Werbeflächen in künstlichen Welten.
Es entwickle sich eine lukrative Einnahmequelle für die Software-Entwickler, sind sich die Marktforscher von DFC Intelligence sicher. Ihnen zufolge wird die Branche 2008 eine Milliarde Dollar einnehmen. Der Markt für Videospiele floriert. Im vergangenen Jahr machte die Branche weltweit einen Umsatz von 29,5 Milliarden Euro und damit doppelt so viel wie Hollywood mit seinen Filmen einnahm. Im Gegensatz zum Fernsehen zappen Videospieler nicht weg. Die »hohe Verweildauer« der Jugendlichen vor der Konsole mache Werbung in den virtuellen Welten so interessant, betont Stephan Steininger. Hinzu kommt, dass die Spiele weltweit vertrieben werden.
Die Softwarehersteller wiederum freuen sich über die Werbeeinnahmen, weil sie damit einen Teil der Produktionskosten wieder hereinholen können. Bis zu 30 Millionen US-Dollar verschlinge Entwicklung und Herstellung eines Spiels, sagte Olaf Wolters vom BIU: »Sie werden inhaltlich immer aufwendiger, die Grafik immer detaillierter.« Umso bitterer ist es, wenn sich Spiele als Flop erweisen. Und genau hier liegt ein Nachteil der Werbung in Videospielen. Wolters: »Werbende Unternehmen wissen vorab nicht, wieviele Spieler sie letztlich erreichen.« Um das Risiko von Fehlschlägen zu minimieren, setzen einige Hersteller und Lizenzgeber auf niedrige Verkaufspreise. So kosten die »Ford-Racing«-Spiele nicht mal 30 Euro, und das Pendant »SCARS« ausschließlich mit Modellen von Alfa Romeo steht für knapp 40 Euro in den Regalen. Dietmar Kemper

Artikel vom 11.02.2006