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Auf Dichters Spuren durch
den sagenhaften Harz
Auch Heinrich Heine, der vor 150 Jahren starb, war vom Ilsetal begeistert
Begonnen hatte alles 1777. Der Weimaraner Geheime Legationsrat Johann Wolfgang Goethe reiste im Auftrag des Herzogs Karl August von Sachsen-Weimar in den bergigen und waldreichen Harz, um sich als Bergwerkskommissar über den jahrhundertealten Bergbau der Region zu informieren.
Gleich dreimal besuchte er die sagenumwobene Gegend bis 1805. Er erklomm den Brocken und hielt seine ersten Eindrücke in »Die Harzreise im Winter« fest: »Dem Geier gleich, Der auf schweren Morgenwolken Mit sanftem Fittich ruhend Nach Beute schaut, Schwebe mein Lied...«
Weitaus tiefgreifender verarbeitete er die Magie des Ortes in seinem Meisterwerk, dem Faust. Dabei flocht er verschiedene Legenden der geheimnisumwitterten Region ein. So die, dass ein Mann einen Pakt mit dem Teufel einging: Für das Wissen, »was die Welt im Innersten zusammenhält«, verkaufte er ihm seine Seele. Die Walpurgisnachtszene siedelte der Dichterfürst nicht ohne Grund auf dem Brocken an.
Allerdings wurden die Inspirationen aus der wildromantischen Bergnatur erst für die Dichter der nachfolgenden Generation zu einem wahren Musenkuss. Vor 200 Jahren, 1805/06, bereisten Joseph und Wilhelm von Eichendorff das nördlichste Mittelgebirge Deutschlands. In seinen Tagebüchern hielt der junge Dichter Joseph seine Faszination über die Wanderungen durch den Harz fest. Seine Novelle »Aus dem Leben eines Taugenichts« (1826) verklärt die vorindustrielle Zeit in der Schilderung einer unberührten Natur, die sich auch aus den Erinnerungen an die Harzreise speisen.
1814 verfasste Adelbert von Chamisso »Peter Schlemihl«. Dieses Urwerk der deutschen Romantik rekurierte wohl eine Legende aus dem Harz. Auch hier gibt es einen Protagonisten, der einen Handel mit dem Teufel eingeht, indem er ihm seinen Schatten verkauft. Selbst bereiste Chamisso die Gegend allerdings erst 1824.
Wie auch Heinrich Heine, dessen Todestag sich jetzt am 17. Februar zum 150. Mal wiederholt. Er besuchte 1824 für vier Wochen zur Wiederherstellung seiner Gesundheit die Region und reiste über Osterode, Clausthal-Zellerfeld, Goslar, den Brocken und Wernigerode durch das Gebirge - literarisch verarbeitet in der »Harzreise«. Vor allem faszinierte ihn das Ilsetal mit dem mächtigen Ilsenstein und der Sage der Jungfer Ilse, die Kaiser Heinrich den Kopf verwirrte: »Ich bin die Prinzessin Ilse, Und wohne im Ilsenstein; Komm mit nach meinem Schlosse, Wir wollen selig sein. ... Doch dich soll mein Arm umschlingen, Wie er Kaiser Heinrich umschlang; Ich hielt ihm zu die Ohren, Wenn die Trompet erklang.«
1826 veröffentlichte Heine das Werk in »Reisebilder«. Darin kommt selbst der Satiriker nicht umhin, die Naturidylle liebreizend zu besingen - mit einem Seitenhieb allerdings auf alle allzugroßen Schwärmer: »Ich rate aber jedem, der auf der Spitze des Ilsensteins steht, weder an Kaiser und Reich, noch an die schöne Ilse, sondern bloß an seine Füße zu denken.«
Die eigenen geschundenen Füße streckte der dichtende Wanderer 1824 im traditionsreichen Landhaus »Zu den Rothen Forellen« in Ilsenburg aus. Wie auch 1831 der Däne Hans Christian Andersen, als er die sagenhafte Gegend bereiste. Seine Bewunderung für die Region veröffentlichte er im selben Jahr in »Schattenbilder einer Reise in den Harz«. Ihn verzückten die für die Region so typischen Fachwerkgebäude: »Wir kamen an einem kleinen freundlichen Hause vorbei mit rot gemaltem Holzwerk und mit Weinranken an den Mauern.« Eine Architektur, wie sie sich noch heute in den vielen Fachwerkstädtchen wie Quedlinburg, Wernigerode oder Ilsenburg findet.
Heute sind Quedlinburg und Wernigerode vielen Reisenden bekannt, während Ilsenburg als ein Geheimtipp an der »Straße der Romanik« gehandelt wird. Eine Umkehr der Geschichte, war es doch vor gut 1000 Jahren als Jagdpfalz Elysinaburg bei Kaiser Otto III. sehr beliebt. Dem Herrscher folgten im 11. Jahrhundert die Benediktinermönche mit einem beeindruckenden romanischen Klosterbau. Darin richteten sich nach der Reformation die Grafen von Stolberg-Wernigerode ein, die auch im 17. Jahrhundert den 1564 erbauten Adelssitz »Campe'scher Hof« am Marktplatz übernahmen. Dieser zeigt sich - wie von Andersen beschrieben - als ein beeindruckendes Ensemble aus rotem Fachwerk. 1668 wurde daraus ein Gasthaus, in dem 1697 Zar Peter I. abstieg, als er die damals berühmte Eisengussmanufaktur der Grafen von Stolberg-Wernigerode besuchte und auch den Gipfel des Brocken bestieg.
1804 avancierte das Haus zum noblen Landhaus »Zu den Rothen Forellen«, benannt nach dem Wappen der Stolberg-Wernigeröder Grafen. Es begann eine glanzvolle Zeit unter anderem als Aufenthaltsort von König Georg V. von Hannover mit Familie oder Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen bis hin zu Theodor Fontane, der 1878 im Ilsenburger Kirchenbuch für den Roman »Ellernklipp« recherchierte - sozusagen im Musenhof an der beschaulichen Ilse. Karsten Grebe

Artikel vom 04.02.2006