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Tagungspräsident Dr. Joachim Feldkamp von den Kliniken Mitte

Auch Hormone steuern
Bildung von Fettzellen

Tagung zu Übergewicht und den möglichen Folgen

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Wer einen veritablen »Rettungsring« um den Bauch trägt und einen Umfang von mehr als 102 Zentimetern hat, hat ein doppeltes Risiko, an Diabetes zu erkranken - von erhöhtem Blutdruck, erhöhten Blutfetten und dem Schlaganfallrisiko ganz zu schweigen. Die Rolle der »zentralen« (in der Körpermitte befindlichen) Fettleibigkeit für die Entstehung der Zuckerkrankheit ist eines der Themen, mit denen sich die 11. Jahrestagung der Nordrhein-Westfälischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie befasst.

Tagungspräsident ist Privatdozent Dr. Joachim Feldkamp, Chefarzt der Medizinischen Klinik an den Städtischen Kliniken Mitte.
Wenn eine Frau sich das Fett am Bauch absaugen lässt, hat sie vielleicht einen ästhetischen Gewinn. Einen gesundheitlichen aber nicht. Ließe sich hingegen ein Mann mit »Bierbauch« das tiefer liegende Fett entfernen, würde er etwas für seine Gesundheit tun: »Wir wissen seit zwei, drei Jahren, dass Fett am Körper unterschiedlich wirkt. Und in den tiefer liegenden Fettzellen werden eine Reihe von Hormonen gebildet, die den Appetit, aber auch die Bildung von Fett beeinflussen«, erklärt Feldkamp.
Es gebe tatsächlich Menschen, die wie ein Vögelchen essen und trotzdem nicht abnehmen: »Das Essverhalten alleine ist es also nicht. Offenbar ist bei einigen Menschen zuvor irgendetwas in Gang gesetzt worden.« Wenn sich zu den erst einmal angezüchteten Fettzellen eine genetische Veranlagung gesellt, wird es schwierig, dem Übergewicht beizukommen.
»Am ehesten und deutlich stärker als Diäten lassen sich die hormonellen Veränderungen durch Bewegung umkehren«, sagt Feldkamp. Dabei sind drei Sporteinheiten pro Woche sinnvoller als ein Kraftakt jeden Freitagabend: »Der Körper vergisst nach vier Tagen.« Wer also einen hormonellen Umschwung will, muss am Ball bleiben.
Welche Rolle die Hormone für Gewicht und Diabetes spielen, haben die Mediziner unter anderem am Resistin und am Leptin gelernt: Mäuse entwickelten nach Resistin-Gabe im Labor eine Diabetes, Kinder, deren Körper kein Leptin bildet (was sehr selten der Fall ist!), essen bis zum Umfallen und werden fett. »Sie haben kein Sättigungsgefühl. Wenn man ihnen aber synthetisch hergestelltes Leptin spritzte, wurden sie schlank.«
Eine nach wie vor häufige Begleiterscheinung der Zuckerkrankheit ist der »diabetische Fuß«: Wunden, die sich Diabetiker zuziehen - beim Nägelschneiden oder beim Spaziergang am Strand - heilen nur schlecht und werden oft auch zu spät wahrgenommen. Um Amputationen zu vermeiden, ist eine gute Versorgung der Wunde vonnöten. Immer wieder aber sind sie von Keimen besiedelt, die auf Antibiotika nicht mehr oder kaum ansprechen, die also »multiresistent« sind.
»Ich habe ständig fünf bis sechs Patienten mit multiresistenten Keimen auf der Station«, sagt Feldkamp. Das Problem: Sie müssen komplett isoliert werden, Besucher, Ärzte und Pflegepersonal müssen »verkleidet« in ihre Zimmer. »Wir müssen die Patienten dann keimfrei bekommen«, erklärt der Internist. Weil die Keime oft aber nicht nur in den Wunden sind, sondern auch auf der Haut und in der Nase, müssen auch die sorgfältig gepflegt werden. »Der Aufwand ist groß.«
Im Fokus der Mediziner sind am Samstag auch die Schilddrüsenerkrankungen. Eine davon ist Morbus Basedow, eine Autoimmunerkrankung, die oft junge Frauen trifft und gezielt das Organ Schilddrüse angreift. Sie geht einher mit einer Schilddrüsenüberfunktion; zu den typischen Symptomen gehören Unruhe, Schlaflosigkeit, ein schneller Puls, Konzentrationsstörungen und Haarausfall. »In 60 Prozent der Fälle greift eine medikamentöse Therapie, in den anderen Fällen bleibt nur eine Operation der Schilddrüse oder die Radiojodtherapie.«
Nach der Operation muss der Patient sein Leben lang Schilddrüsenhormone zu sich nehmen, die Krankheit ist ansonsten im Griff. Allerdings: Sie geht zuweilen mit Problemen an den Augen einher - die treten hervor und sind lichtempfindlich. »Ein typisches Beispiel dafür ist Heino.« Im Extremfall kommt es zu einer Schiefstellung der Augen, zu Doppelbildern oder sogar zur Erblindung, wenn durch das Anschwellen des Gewebes in der Augenhöhle die Durchblutung des Sehnervs unterbrochen wird. »Die Augenprobleme können unabhängig und sogar noch Jahre nach einer erfolgreichen Schilddrüsen-OP auftreten«, bedauert Feldkamp. Der Körper merkt sich eben schlicht, dass diese Autoimmunerkrankung aufgetreten ist.
Auslöser von Basedow kann Stress sein. »Im Krieg gab es nach Bombenangriffen auch den so genannten Schreck-Basedow.« Eine Studie ergab, dass Betroffene überproportional häufig den Verlust eines nahen Angehörigen erlitten hatten. Ebenso spielt die Genetik eine Rolle: In den Familien Betroffener gab es überdurchschnittlich häufig Autoimmunerkrankungen. »In der Diskussion sind auch virale Infekte, also etwas wie die banale Grippe.«
Im akuten Schub hilft als einziges Medikament Cortison. Das Immunsystem vom Angriff auf die Schilddrüse abzulenken, ist aber noch nicht gelungen.

Artikel vom 21.01.2006