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»Krummes« Kreditgeschäft

Sparkasse Gütersloh muss Darlehnsvertrag wieder in Kraft setzen

Von Stephan Rechlin
Gütersloh (WB). Die Sparkasse Gütersloh muss einen gekündigten Darlehnsvertrag wieder in Kraft setzen und ihrer Kundin den aus der Kündigung entstandenen Schaden ersetzen. In seinem Urteil legt das Landgericht Bielefeld nahe, dass in dem Kreditgeschäft nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein soll.
Legt Revision ein: Sparkassenvorstand Hans-Hermann Kirschner.
Im August 2001 vereinbarten die Sparkasse Gütersloh und Hedwig Reckendrees (58) einen Darlehnsvertrag über 1,25 Millionen Mark zu einem Effektivzins von 5,95 Prozent, Auszahlung zu 100 Prozent. Doch am Ende des Monats werden Reckendrees nur 1,1 Millionen Mark ausgezahlt - 143 000 Mark behält die Sparkasse zurück. Dafür berechnet sie ihrer Kundin jedoch Zins, Tilgung und Bereitstellungszinsen auf die volle Darlehnshöhe.
Das gesamte folgende Jahr über fordert Reckendrees vergeblich die Auszahlung der restlichen Kreditsumme ein. Doch die Sparkasse knüpft die Restzahlung an neue Bedingungen. Unter anderem soll Reckendrees ihre kompletten Mieteinkünfte, die sie aus der beliehenen Gewerbe-Immobilie bezieht, an die Sparkasse abtreten. Ferner soll sie weitere Grundstücke nachverpfänden und das Grundbuch von einer Reihe kleinerer Sicherungs-Hypotheken »säubern« lassen. Die Unternehmerin weigert sich, die neuen Verträge zu unterzeichnen. Daraufhin kündigt die Sparkasse den Kredit fristlos und lässt die zur Sicherung hinterlegten Immobilien und Grundstücke zwangsverwalten.
Bis zu diesem Zeitpunkt ist das Saldo auf Reckendrees Konto auf 86 461 Euro aufgelaufen. Ihre Bankkarte wird eingezogen. Sie hat keine Mieteinnahmen mehr, kann ihre Krankenkasse nicht mehr bezahlen. Freunde, Bekannte und Geschwister leihen ihr das Geld, das sie braucht, um sich wehren zu können. Nach drei Jahren hat sie Erfolg.
Das Landgericht klopft die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkasse nach nur einem triftigen Grund ab, der eine fristlose Kündigung des Darlehnsvertrages gerechtfertigt hätte - und kann keinen finden. Auf das bis zur Kündigung angelaufene Saldo könne sich die Sparkasse nicht berufen, weil sie »diese Verschlechterung selbst vertragswidrig herbeigeführt hat.« Die Sparkasse verhalte sich treuwidrig, wenn sie ein Kündigungsrecht auf ein Minussaldo stütze, dessen Entstehung sie durch ihr eigenes vertragswidriges Verhalten zumindest wesentlich mitverursacht habe. Vor dem Verwaltungsrat kündigte Sparkassen-Vorstand Hans-Hermann Kirschner an, gegen das Urteil Revision einlegen zu lassen. Az.: 6 O 536/04.Lokalteil

Artikel vom 21.01.2006