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Nacht aus Licht und Schatten

Philharmonische Konzerte

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir befinden uns im vierten Freitags- beziehungsweise dritten Sonntagskonzert der Bielefelder Philharmoniker und lassen uns vom zart flimmernden Klangteppich eines Charles Koechlin mitnehmen auf eine Reise ins All.

»Ins Sternenzelt« lautete der Titel, unter dem Generalmusikdirektor Peter Kuhn einen Werkekanon aus nachtdunklen Gedanken und vereinzelt aufblitzenden Erhellungen zusammengestellt hatte. Weitgehend Unbekanntes und Bekanntes hielten sich bewusst die Waage und boten in bewährter Manier Gelegenheit, in Fremdem Vertrautes und in Vertrautem Neues zu entdecken.
Das Nocturne »Vers la voûte étoilée« von Koechlin (1867-1950) gehört in die erste Kategorie. In scheinbarer Schwerelosigkeit entwickelt es aus zarten, harmonisch sich reibenden Linien einen imaginierten Blick in den Weltraum. Obgleich differenziert in der Dynamik, ließ es der statische erste Teil noch an Spannung und innerem Glitzern mangeln (Die Eindrücke beziehen sich auf das Freitagskonzert). Mit dem Beginn der thematischen und dynamischen Entwicklung dann war auch das Orchester in gewohnter Klangfrische und -präzision präsent, um den weiten Crescendo-Bogen mit prononcierter Dramatik zu steigern.
Mit Hector Berlioz' »Les nuits d''été« für Sopran und Orchester servierte Kuhn eine wahre Preziose unter den Orchesterliedern und mit Christiane Iven dazu eine Sängerin, deren dunkel gefärbter, tragfähiger Sopran den Klageduktus und die den Liedern innewohnende Melancholie brillant traf. Zwischen lebhafter Impulsivität in den Eckliedern und Intimität in den vier umschatteten Stücken lotete die Sängerin das Ausdrucksspektrum innig und ohne erkennbare Anstrengung aus. Was die Gefühlsintensität und Tragik anbelangt, so kann man sich diese Lieder aber auch lebhafter, dramatischer im Impetus vorstellen. Die zurückhaltende Interpretation der Sängerin fand in verhaltener Dynamik, Phrasierung und Akzentuierung sowie in bisweilen arg gedehnten Tempi ihr Pendant im Orchester.
Mozarts populäre g-Moll-Sinfonie KV 550 unterliegt angesichts der medialen Überpräsenz zwar einer gewissen Abnutzung, erfreut sich aber nichtsdestotrotz beim Publikum großer Beliebtheit. Freilich bedient Peter Kuhn keine weichgespülten Hörgewohnheiten. Doch aus dem Zwiespalt der Sinfonie, der sich aus dem Spannungsverhältnis von galantem Musizieren und melancholischer, bisweilen auch dramatischer Aussage speist, gewinnt der Orchesterlenker offenbar kein Gestaltungskriterium. Denn obgleich Themen und Seitengedanken in kleinteiliger Phrasierung streng und hart durchgezeichnet wurden und das auf »agitato« getrimmte Orchester präzise parierte, wollte sich der Eindruck einer natürlich strömenden inneren Unruhe so recht nicht einstellen. Vielleicht lag es ja an den Richtmikrophonen des WDR, der einen Mitschnitt des Konzertes am 15. Februar, 20.05 auf WDR 3 sendet.

Artikel vom 16.01.2006