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War es wirklich Castros Rache?

ARD-Doku: Kubanischer Geheimdienst ließ John F. Kennedy ermorden

Von Paul Barz
ARD, 21.45 Uhr: Der Doku-Filmer Wilfried Huismann blickt betrübt: »Alle sagten erstmal ÝWahnsinnÜ. Viele sagen es noch heute.« Gemeint ist seine Theorie darüber, wer am 22. November 1963 in Dallas US-Präsident John F. Kennedy erschoss.

Tatsächlich war es jener Lee Harvey Oswald, aber nicht als psychopathischer Einzelgänger, sondern gezielt im Auftrag des kubanischen Geheimdienstes, sagt Huismann. Denn: »Es war Castros Rache für den Versuch der CIA, ihn mit einem vergifteten Kugelschreiber zu ermorden«.
Das Ergebnis seiner Recherchen dokumentiert der Grimme-Preisträger Huismann (zuletzt »Russisch Roulette. Die Agenten, der Kreml und das Kanzleramt«) in »Rendezvous mit dem Tod«.
Der Gedanke war Huismann gekommen, als er bei der Recherche zu seiner Dokumentation »Lieber Fidel - Maritas Geschichte« (2000) auf einen Mann traf, der seinerzeit bei den Oswald-Verhören dabei war. Schon das bisherige Oswald-Bild geriet ins Wanken: »Kein Neurotiker, der mit einer gestörten Mutter-Beziehung nicht klar kam, wie es bis dahin ganz offiziell geheißen hatte. Das war ein kluger, gebildeter, sogar sehr humorvoller Mann. Zugleich aber fanatisch in der Vorstellung, der amerikanische Kapitalismus sei Inbegriff alles Bösen.«
Hatte er sich deshalb als Killer anheuern lassen? Huismann machte sich an die Recherche - drei Jahre lang. Manchmal schien das ehrgeizige Projekt einer zeithistorischen Spurensuche bereits gescheitert zu sein. WDR-Redakteur Heribert Blondiau erinnert sich: »Tief in der Nacht, so gegen drei Uhr, rief mich Wilfried an, unendlich erleichtert und ein bisschen stolz: Du, ich habe meinen Kronzeugen.« Es war der Kubaner Oscar Marino, einst Geheimdienstmann und Castro-Gefährte im Guerilla-Kampf gegen den Diktator Batista, dann enttäuscht, da in seinen Augen der Ex-Kompanero die kubanische Sache allzu willfährig an die Freunde in der Sowjetunion verschleuderte.
Nun war Marino, ein schon sehr alter, schwerkranker Mann, zum Interview bereit, »da sonst die Wahrheit niemand erfährt«. Seine Auskünfte, in einem fahrenden Wagen erteilt, stehen im Mittelpunkt von Huismanns Dokumentation. Daneben äußern sich auch frühere US-Geheimdienstler sowie Mitarbeiter der Kennedy-Regierung und des mexikanischen Geheimdienstes. Abgerundet wird das Bild durch Akten aus dem Archiv des sowjetischen KGB.
Nach Huismanns Recherchen war man in den USA bis zum Präsidenten und Kennedy-Nachfolger Lyndon B. Johnson sehr genau über die Hintergründe des Attentats informiert. Jedoch wurde die Wahrheit unterdrückt, in Huismanns Augen vor allem aus zwei Gründen: »Johnson wollte keinen neuerlichen Konflikt mit Kuba. Und dann fürchtete er um die Zukunft der Demokratischen Partei. Die galt sowieso schon als zu liberal, jetzt aber hätte es heißen können: »Seht euch die Weicheier an! Die können nicht nur mit dem Burschen Castro nicht fertig werden. Die lassen von ihm sogar den amerikanischen Präsidenten abknallen.«

Artikel vom 06.01.2006