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Blutiger Donnerstag im Irak

120 Tote bei Anschlägen - Auch sieben Amerikaner unter den Opfern

Kerbela (Reuters/dpa). Bei den schwersten Anschlägen im Irak seit mehreren Monaten haben gestern Attentäter etwa 120 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt.Ein verzweifelter Iraker trauert um einen getöteten Verwandten.

Der erste Anschlag ereignete sich in der den Schiiten heiligen Stadt Kerbela. Nur Stunden später sprengte sich in der vor allem von Sunniten bewohnten Stadt Ramadi ebenfalls ein Attentäter in die Luft. Die Anschläge dürften die Spannungen zwischen den religiösen Gruppen im Irak weiter verstärken. In Bagdad und Nadschaf kamen insgesamt sieben US-Soldaten bei Anschlägen ums Leben. Bereits am Mittwoch waren bei offenbar koordinierten Attentaten im ganzen Land mindestens 58 Menschen getötet worden. Die Hoffnungen auf einen Start in ein friedlicheres Jahr 2006 erfüllten sich für den Irak damit nicht: In den fünf Tagen des neuen Jahres wurden bei Anschlägen bereits mehr als 225 Menschen getötet und 280 verletzt. Seit den Parlamentswahlen vom 15. Dezember, bei denen die Schiiten und Kurden als Sieger hervorgingen, war es zunächst weitgehend ruhig geblieben.
Gestern zündete in Kerbela ein Attentäter seinen Sprengstoffgürtel der Polizei zufolge in einer belebten Straße unweit des Imam-Hussein-Schreins, einem der wichtigsten Orte für Schiiten in der Stadt etwa 110 Kilometer südwestlich von Bagdad. Der Attentäter habe etwa sieben bis acht Kilogramm TNT-Sprengstoff gezündet. Es gilt als sicher, dass der Anschlag gegen die moslemische Glaubensgruppe der Schiiten gerichtet war. Bei der Explosion wurden mindestens 51 Menschen getötet und 138 verletzt.
Erst vor zwei Tagen war die Stadt Schauplatz von Gewalt, nachdem es dort fast ein Jahr lang relativ ruhig geblieben war. Passanten luden Verletzte in Autos und auf Lastwagen, um sie ins Krankenhaus zu bringen. Eine in schwarz gekleidete Frau weinte und drückte ihr verletztes Baby an sich.
Im März 2004 waren in der Stadt bei koordinierten Selbstmordanschlägen während eines religiösen Festes mehr als 90 Menschen getötet worden. Dahinter vermuten die Behörden den Chef der Al-Kaida-Gruppe im Irak, den Sunniten Abu Mussab al-Sarkawi. Seit dem Sturz von Präsident Saddam Hussein dominieren die Schiiten zusammen mit den Kurden die irakische Politik. Viele Sunniten fühlen sich daher ausgegrenzt und hegen eine große Ablehnung gegen die Regierung in Bagdad und die US-Truppen, die sie als Besatzer ansehen. Die Ergebnisse der jüngsten Parlamentswahlen werden von führenden sunnitischen Politikern als gefälscht bezeichnet.
Der Anschlag in Ramadi, das vorwiegend von Sunniten bewohnt wird, galt einmal mehr der irakischen Polizei sowie dem Militär, welche die Führung des Einsatzes gegen den vorwiegend sunnitischen Aufstand möglichst bald von den USA übernehmen sollen. Der Attentäter sprengte sich nach Polizeiangaben inmitten einer Gruppe von Polizisten und Rekruten in die Luft. Die Zahl der Opfer verdoppelte sich nach Angaben von Ärzten im Laufe des Tages: Demnach wurden mehr als 60 Menschen getötet und 70 verletzt.
Wenige Stunden später gab es auch in Bagdad mehrere Bombenexplosionen. Fünf US-Soldaten kamen dort ums Leben, weil eine Bombe an einer Straße neben ihrem Fahrzeug detonierte. Bei einer Bombenexplosion in der Stadt Nadschaf wurden zwei US-Soldaten getötet.

Artikel vom 06.01.2006