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Duell um den Gesamtsieg

Vor Abschluss der Vierschanzentournee: Deutsche springen hinterher

Bischofshofen (dpa). Martin Schmitt ist abgetaucht, der Rest des Teams weit abgeschlagen: Auch im Olympia-Winter spielen die deutschen Skispringer beim Herzschlagfinale der Vierschanzentournee nur eine unbedeutende Nebenrolle.

Wie schon in den vergangenen zwei Jahren wird bei der Siegerehrung kein DSV-Athlet auf dem Podest stehen, entsprechend niedergeschlagen ist die Stimmung im deutschen Lager. »Natürlich sind wir enttäuscht und frustriert. Aber das müssen wir ganz schnell bewältigen. Das Ziel muss jetzt sein, sich mit einer ordentlichen Leistung aus der Tournee zu verabschieden, um Selbstvertrauen für die Skiflug-WM zu tanken«, sagte Bundestrainer Peter Rohwein.
Ausgerechnet beim ersten Saison-Höhepunkt lieferten die DSV-Springer ihre schlechteste Leistung ab und sind daher beim Showdown um den Gesamtsieg zwischen Spitzenreiter Jakub Janda (Tschechien) und dem zwei Punkte zurückliegenden Titelverteidiger Janne Ahonen (Finnland) nur Statisten. In der gestrigen Qualifikation sprangen die DSV-Adler der Spitze erneut hinterher. Bester Deutscher war Alexander Herr (Schonach-Rohrhardsberg) mit 133 Metern auf Rang neun, Michael Uhrmann (Rastbüchl) wurde mit 132,5 Metern Elfter. Außerdem sind heute in Bischofshofen (16.30 Uhr/RTL live) noch Georg Späth (Oberstdorf/128,5/18.) und Michael Neumayer (Berchtesgaden/126/28.) dabei.
Der zuvor im Weltcup mit drei Podestplatzierungen glänzende Bayer belegt im Gesamtklassement nur Rang elf und konnte die hohen Erwartungen damit nicht erfüllen. Späth (Oberstdorf/Gesamt-8.) blieb trotz ansteigender Tendenz im Mittelmaß stecken und der viermalige Weltmeister Schmitt (Furtwangen) schlitterte sogar in die schlimmste Krise seiner Karriere und wurde vorzeitig nach Hause geschickt.
»Vor der Tournee hat jeder gedacht, Deutschland reißt die Welt ein. Dann sind wir den erwarteten Ergebnissen hinterher gesprungen und es hat sich eine Unsicherheit breitgemacht«, bilanzierte Rohwein.
Die Ursachen sind vielschichtig. In Oberstdorf war es ein Kopfproblem, in Garmisch-Partenkirchen die Einstellung und in Innsbruck das Material. Bei Schmitt traf sogar alles zusammen. »Man hat gesehen, dass er unheimlich genervt war. Daher war es sinnvoller, die Tür hinter sich zuzumachen«, begründete Rohwein das vorzeitige Tournee-Ende für den 27-Jährigen, der immer mehr zum Sorgenkind wird.
Der Coach ließ erstmals durchblicken, dass die Arbeit mit Schmitt kein Zuckerschlecken und dessen durchaus berechtigte Rückstufung in den Continentalcup kaum durchzusetzen sei. »Mit ihm wurden immer wieder Sondermaßnahmen durchgeführt. Das hat sich über die Jahre eingebürgert und lässt sich nicht von heute auf morgen umstellen«, beschrieb Rohwein seine teilweise Ohnmacht.
Da verwundert es kaum, dass der Bundestrainer Schmitt für die Skiflug-WM noch eine Hintertür offen lässt. »Wir können mit sechs Leuten anreisen, vier dürfen in der Qualifikation starten. Ich sehe kein Problem, ihn im Training fliegen zu lassen und dann zu entscheiden, ob es Sinn macht«, sagte Rohwein.
Er muss seine Mannschaft nun schnell wieder aufbauen, sollen weitere Einbrüche bei der Skiflug-WM und vor allem den Olympischen Winterspielen vermieden werden. Immerhin geht es für den Allgäuer auch um einen neuen Vertrag. Dennoch gibt sich Rohwein, der das Amt im Oktober 2004 übernahm, gelassen. »Ich bin noch nie gekündigt worden. Die Jungs müssen nicht für den Trainer springen, sondern so gut sie es können. Dann tun sie sich und mir etwas Gutes«, sagte der Bundestrainer.

Artikel vom 06.01.2006