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Job-Exporte nicht auch noch fördern

Bund ersetzt gekürzte EU-Hilfen

Berlin (dpa). Die mit EU-Geldern geförderte Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Osteuropa will Berlin stoppen. Schon seit Jahren war es bekannt: Deutschland ist Hauptfinanzier seiner eigenen Schwächung.
Die EU-Hilfen erlauben einer ganzen Reihe osteuropäischer Neumitglieder in der Europäischen Union extrem niedrige Steuersätze. Die Slowakei markiert mit dem einheitlichen Steuersatz von 19 Prozent (Flatrate) die Untergrenze des in Europa Möglichen.
»Es kann nicht sein, dass einzelne Länder mehr Geld aus dem EU-Haushalt fordern und andererseits ihre eigene Steuerbasis nicht verbessern«, sagte Finanzminister Peer Steinbrück in Berlin. Deshalb plane die Bundesregierung einen neuen Vorstoß gegen einen aus ihrer Sicht unfairen Steuerwettbewerb, der innerhalb der Europäischen Union erheblich zu Lasten des Nettozahlers Deutschland geht.
»Das hat mit fairem Steuerwettbewerb nichts zu tun. Es geht zu Lasten deutscher Arbeitsplätze.« Das Problem müsse »intensiv diskutiert und gelöst werden«. Er bestreite allerdings keinem deutschen Unternehmen, im Ausland zu investieren, um Märkte zu erschließen.
Damit greift Steinbrück einen Plan aus dem Koalitionsvertrag von Union und SPD auf. Dort heißt es: »Den Mitgliedsstaaten, die gemessen an ihrer Wirtschaftskraft bei den Unternehmenssteuern eine Mindeststeuerquote unterschreiten, sollen die EU-Regionalfördermittel gekürzt werden.«
Steinbrück wandte sich nicht gegen den europäischen Standortwettbewerb generell. Dennoch sei es »notwendig, die Arbeiten an der harmonisierten Bemessungsgrundlage im Unternehmenssteuer-Bereich zügig fortzusetzen«, sagte Steinbrück. Dafür könne die EU- Kommission mit jeder »erdenklichen Unterstützung« rechnen.
Die deutsche Industrie will die Bundesregierung dabei allerdings nicht unterstützen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kritisierte Steinbrücks Vorstoß für eine einheitliche Grundlage der Besteuerung in Europa als »Nebelkerze«. Der Minister wolle sich nur vor der Aufgabe drücken, in Deutschland international wettbewerbsfähige Steuersätze für Unternehmen anzubieten, sagte BDI-Steuerexperte Klaus Bräunig. Rückendeckung erhielt der Kassenwart Steinbrück hingegen vom Koalitionspartner.
Trotz sinkender EU-Fördergelder sollen die ostdeutschen Länder Geld aus dem Solidarpakt in voller Höhe erhalten. Das sagte Aufbau-Ost-Bundesminister Wolfgang Tiefensee (SPD). An der finanziellen Ausstattung des Solidarpaktes werde in keinem Fall gerüttelt. »Wir werden dafür sorgen, dass der Korb II wie vorgesehen mit 51 Milliarden Euro über die Dauer der Förderperiode ausgestattet sein wird.« Die europäischen Strukturfondsmittel seien ein Teil dieses Korbes. »Gemeinsam mit den Ländern werden wir eine Lösung finden.« Tiefensee warnte die westlichen Länder, sich der Solidarität zu entziehen.

Artikel vom 30.12.2005