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Köhlers Vorstoß wird begrüßt

Pofalla entdeckt Elemente aus chrstlicher Soziallehre - Verdi skeptisch

Berlin (Reuters). Der Vorschlag von Bundespräsident Horst Köhler für eine stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer an ihren Unternehmen ist auf breite Zustimmung gestoßen.
Politiker von Union, SPD und FDP begrüßten gestern die Aussagen des Staatsoberhaupts.
Der Vize-Fraktionschef der Union, Michael Meister, sagte, so ließe sich das Problem der Altersvorsorge lösen. Ähnlich äußerte sich der SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner aus Gütersloh.
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Rainer Brüderle sprach von einem richtigen Weg. Zustimmung kam auch vom Wirtschaftsweisen Wolfgang Franz. Kritisch zeigten sich hingegen die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Peters.
Meister sagte weiter, »wir haben das Problem der Altersvorsorge und ich glaube, eine Beteiligung am Betriebskapital kann durchaus dazu beitragen, das Problem zu lösen.« Am Kapitalmarkt ließen sich über einen längeren Zeitraum Erträge erzielen, die in der Regel höher seien als die aus Sparbüchern oder der gesetzlichen Rente. »Insofern glaube ich, dass es wichtig ist, bei der Altersvorsorge auf einen Mix zu setzen«, fügte der CDU-Politiker hinzu.
Auch Brandner bezeichnete die von Köhler angeregte Beteiligung am Ertrag oder am Produktivkapital eines Unternehmens als Mittel für eine zusätzliche Altersversorgung. Außerdem würden die Unternehmen von der höheren emotionalen Bindung der Mitarbeiter profitieren.
Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ludwig Stiegler hob hervor, dass insbesondere die großen Kapitalgesellschaften in Deutschland im vergangenen Jahr erhebliche Gewinne gemacht hätten, aber bei der derzeitigen Tariflage nichts an die Arbeitnehmer abgäben. Jedoch müsse der Erfolg am Ende des Jahres geteilt werden. Dazu sei Köhlers Vorschlag ein wichtiger Ansatz.
CDU-Generalsekretär Roland Pofalla sagte, eine stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen sei eine alte Forderung der CDU, die aus der christlichen Soziallehre stamme. Die Unions-Fraktion habe bereits Anfang des Jahres im Bundestag einen entsprechenden Vorschlag gemacht. »Nun geht es darum, diesem Ansatz in der großen Koalition zu einer entsprechenden Umsetzung zu verhelfen«, betonte er. Kritisch zeigte er sich zu dem ebenfalls von Köhler angeregten Grundeinkommen. Dies gebe es bereits mit dem Arbeitslosengeld II.
»Köhler hat völlig Recht«, betonte der Wirtschaftsweise Franz. Ein Gewinnbeteiligungsmodell besäße viele Vorteile. Tarifverhandlungen etwa würden dadurch weit weniger konfliktträchtig. Gewerkschaften könnten niedrigere Abschlüsse akzeptieren, wenn sichergestellt sei, dass man bei guten Geschäftsergebnissen des Unternehmens an den Gewinnen beteiligt sei. Trotz vereinzelter Forderungen nach höheren Lohnsteigerungen aus der Politik sei es nur bei Abschlüssen bei ein bis zwei Prozent möglich, Arbeitsplätze zu sichern.
Der stellvertretende Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Werneke, sagte, es handele sich um einen gangbaren Weg, der aber nur in einem bestimmten Umfang umgesetzt werden könne. »Ich glaube aber nicht, dass das Lohnsystem in Deutschland grundsätzlich in diese Richtung geändert werden kann«, sagte der Gewerkschafter. Es handele sich allenfalls um ein Instrument für große Konzerne, in denen die Arbeitnehmer über den Aufsichtsrat Einfluss nehmen könnten.
Arbeitnehmer sollten, so das Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), am Gewinn und nicht an ihrem Unternehmen beteiligt werden. Ein Investivlohn, bei dem Arbeitnehmer über einen Teil ihres Einkommens Anteile am Unternehmen erwerben, sei ein zu großes Risiko, sagte Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen IW. »Man gibt nicht alle Eier in einen Korb.«

Artikel vom 30.12.2005