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Mädchen retten Hilflosen

Mann hatte nur noch 32 Grad Körpertemperatur

Jana Wessely (15) und Verena Rodenbeck (16) waren die einzigen, die Hilfe geholt hatten. Foto: Schönfeld

Von Monika Schönfeld
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Als Lebensretterinnen sehen sich die beiden Schülerinnen Verena Rodenbeck (16) und Jana Wessely (15) nicht. Eher sind sie noch immer geschockt, was der Alkohol mit Menschen anrichten kann. Die beiden Realschülerinnen aus Schloß Holte-Stukenbrock (Kreis Gütersloh) haben am Mittwoch auf dem Weg zur Schule einem 55-jährigen Mann das Leben gerettet.
Wie immer hatten die Freundinnen, die in die Klasse 10c der Realschule Schloß Holte-Stukenbrock gehen, morgens auf dem Weg zur Schule die Abkürzung mit dem Fahrrad durch den Wald genommen. »Das Fahrradlicht reicht ja nur drei Meter. Wir wären beinahe mit den Rädern über den Mann gefahren.« Der Schreck sei ihnen in die Glieder gefahren, als sie den Mann gesehen hätten, der auf dem Bauch mit ausgestreckten Armen vor ihnen gelegen habe. Offensichtlich war er mit seinem Fahrrad gestürzt, Einkäufe lagen auf dem Boden. Der Mann blutete am Auge und war völlig verdreckt. »Wir haben nicht angehalten, sind ganz geschockt zum nächsten Haus gefahren und haben dort geklingelt. Der Mann aus dem Haus ging mit uns zurück auf den Waldweg und rief den Krankenwagen.«
Rettungswagen, Polizei und Feuerwehr rückten an, um den alkoholisierten Mann aus dem Wald zu tragen. Der Notarzt stellte fest, dass seine Körpertemperatur auf 32 Grad gesunken war. Er muss die ganze Nacht dort gelegen haben. »Es müssen viele Leute an ihm vorbei gegangen sein, ohne Hilfe zu holen. Der Waldweg wird stark genutzt«, meinen die beiden Schülerinnen.
Sie kamen natürlich zu spät zur Schule. »Der Unterricht ist völlig an uns vorbeigerauscht. Unsere Vertrauenslehrerin Claudia Brhel hat uns mit in eine Theater-AG genommen, damit wir auf andere Gedanken kommen.« Dennoch saß der Schock bei den beiden Schülerinnen tief. »Als ich nach Hause kam, habe ich erst mal meinen Bruder in den Arm genommen und geweint«, gesteht Jana Wessely.

Artikel vom 24.12.2005