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Druck auf Bankchef Ackermann wächst

Rücktritt für Experten nur noch eine Frage der Zeit

Von Hans G. Nagl
Karlsruhe/Frankfurt, (Reuters). »Freispruch ist Freispruch« hatte Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann am Ende des ersten Mannesmann-Prozesses im Sommer 2004 noch frohlockt. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) von gestern für eine Neuauflage des Verfahrens ist klar, die Freude war voreilig.
Mit angeklagt: Der ehemalige IG-Metallchef Zwickel

Der 57-Jährige muss nach wie vor eine Verurteilung wegen Untreue fürchten. Seine Position an der Spitze von Deutschlands größter Bank ist einmal mehr in Frage gestellt.
Ausgerechnet sein Aufsichtsratschef Rolf Breuer spekuliert bereits ungewöhnlich offen in den Medien über eine mögliche Nachfolgeregelung. Das Mannesmann-Verfahren schwächt seit langem Ackermanns Position in der Bank, die 2005 sehr erfolgreich gewirtschaftet hat und als einziges deutsches Geldhaus mit den ausländischen Rivalen mithalten kann.
Zum Prozessauftakt vor fast zwei Jahren zeigte sich der Schweizer mit der zum Victory-Zeichen erhobenen Hand im Saal des Düsseldorfer Landgerichts. Diese Geste wurde umgehend in der Öffentlichkeit als arrogante Provokation gewertet und untermauerte Vorurteile gegenüber der Banker-Zunft. Für völliges Unverständnis sorgte dann noch die Bemerkung des Schweizers, dass in Deutschland Menschen, die mit Leistung Werte schafften, strafrechtliche Verfolgung fürchten müssten. Die nächste Panne sollte nicht lange auf sich warten lassen: Anfang 2005 vermeldete die Bank einen Milliardengewinn, kündigte zugleich aber den Abbau tausender Stellen an. Wochenlange Kritik und sogar einzelne Boykottaufrufe aus der Politik waren die Folge.
Damals muss der Arztsohn aus Mels im Schweizer Kanton St. Gallen ins Grübeln gekommen sein. »Ackermann hat sich im Frühjahr gefragt: Wieso tue ich mir das an?«, berichtet ein hochrangiger Banker aus seinem Umfeld. »Er war es leid.« Doch Ackermann entschied sich durchzuhalten. »Ich bin nicht jemand, der da aufgibt, sondern wir kämpfen«, ließ der seit Mai 2002 amtierende Bankchef die Öffentlichkeit im Sommer wissen.
Aus seinen Fehltritten scheint der Investmentbanker dennoch wenig gelernt zu haben - zumindest, wenn es um typisch deutsche Befindlichkeiten geht. Denn erst nach tagelanger Kritik von Anlegern, Politikern und Konkurrenten entschied sich die Bank vergangene Woche, ihren voraussichtlich vor Verlusten stehenden Immobilienfondsanlegern zu helfen.
Zuvor sorgte die Bank mit der Mitteilung, den Fonds Grundbesitz-Invest einfach zu schließen und damit die Anlegergelder quasi zu sperren, für Unmut. Die Schließung ist hier zu Lande ein bislang einmaliger Vorgang in der Branche.
Der Druck auf den Bankchef dürfte nach der BGH-Entscheidung jetzt weiter zunehmen. Denn das Mannesmann-Verfahren um Millionen-Abfindungen an frühere Manager nach der Übernahme durch den britischen Mobilfunkriesen Vodafone im Jahr 2000 muss in allen zentralen Punkten neu aufgerollt werden. Die Freisprüche aus der ersten Instanz wurden aufgehoben. Ackermann war damals im Aufsichtsrat von Mannesmann und hat die umstrittenen Vergütungen mit gebilligt.
Nun geht der Untreue-Prozess, der seine Arbeit behindert, in die nächste Runde. Sollte er letztlich doch verurteilt werden, wäre er an der Spitze der Deutschen Bank kaum zu halten. Allein schon die Aussicht auf ein langes Verfahren wurde im Umfeld der Bank bereits als Grund für einen möglichen Rücktritt Ackermanns bezeichnet. Aufsichtsratschef Breuer spekulierte in einem Zeitungsinterview sogar schon über mögliche Alternativen. »Ich favorisiere sehr stark einen internen Kandidaten. Nur wenn das nicht möglich ist, würden wir außerhalb der Bank suchen«, sagte er.

Artikel vom 22.12.2005