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»Preis für europäische Einigung«

Politiker der Koalition verteidigen Merkels EU-Finanzkompromiss

Berlin (Reuters). Für den von Bundeskanzlerin Angela Merkel vermittelten EU-Finanzkompromiss muss Deutschland voraussichtlich netto etwa zwei Milliarden Euro mehr in die Kassen der Europäischen Union (EU) zahlen als derzeit. »Das ist der augenblickliche Stand«, sagte Regierungssprecher Thomas Steg am Freitag in Berlin.
Ein Zeitungsbericht, wonach sich der deutsche Nettobeitrag von 2007 an um knapp zwei Milliarden Euro auf 10,4 Milliarden Euro jährlich erhöhen könne, sei in der Größenordnung und in der Tendenz zutreffend. Für den Bundeshaushalt sei dieser Saldo aus Beitragszahlungen nach Brüssel und Rückflüssen nach Deutschland aber nicht relevant.
Merkel hatte nach der Einigung beim EU-Gipfel gesagt, sie gehe von einer »leichten Verbesserung« bei der Nettoposition Deutschlands aus. Politiker der schwarz-roten Koalition verteidigten am Freitag Merkels Finanzkompromiss. Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten hatten sich auf die Finanzplanung von 2007 bis 2013 geeinigt. Das Budget sieht Ausgaben in Höhe von 1,045 Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU vor. Der Wert liegt unter den von der Bundesregierung als Schmerzgrenze bezeichneten 1,06 Prozent.
»Wir werden weniger abführen müssen als wir gedacht haben, aber wir werden mehr abführen müssen als in der Vergangenheit«, sagte Steg weiter. Das sei aber der Preis, den Deutschland gerne bereit sei zu zahlen für die europäische Einigung. Er wies darauf hin, dass Deutschland mit seiner exportorientierten Wirtschaft besonders vom Binnenmarkt profitiere. Dies schlage sich im Nettobeitrag nicht nieder.
Einem Bericht der »Berliner Zeitung« zufolge werden sich die Überweisungen aus Deutschland nach Brüssel von zuletzt 20 auf mehr als 23 Milliarden Euro erhöhen. Zwar stiegen auch die Rückflüsse bis 2013 in Form von Agrarbeihilfen oder Strukturhilfen etwa für Ostdeutschland an, aber in weitaus geringerem Umfang als die Beitragszahlungen.
Politiker der Regierungskoalition verteidigten den von Merkel maßgeblich vermittelten Finanzkompromiss. Der stellvertretende Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte, er habe »das Hosianna für Frau Merkel mit einer gewissen Sympathie gesehen, aber doch auch mit Erstaunen«. Die Tradition, dass Deutschland am Schluss die europäischen Kompromisse immer zu zahlen habe, habe man beenden wollen. »Aber in der konkreten Situation war es eine durchaus vernünftige Entscheidung von Frau Merkel«, sagte Thierse. Die Deutschen hätten keinen Gewinn davon gehabt, wenn sich die europäische Krise fortgesetzt hätte.
Unions-Finanzexperte Steffen Kampeter (Minden) sagte: »Jeder andere Kompromiss in der Zukunft wäre erheblich teurer für Deutschland geworden.« Gegenüber den ursprünglichen Vorschlägen Luxemburgs werde der Haushalt um eine Milliarde Euro entlastet. 2004 sei der Nettobeitrag mit 8,5 Milliarden Euro relativ niedrig gewesen. Dies habe an hohen Rückflüssen aus der EU-Kasse gelegen, weil Mittel nicht abgerufen worden seien. Vor allem als Vergleich die Alternative gehsehen, also der Vorschlag Luxemburgs und der frühere der Briten. Da schneide Deutschland jetzt erheblich besser ab.
Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Joachim Poß erklärte, der Anstieg des deutschen EU-Beitrags sei nicht zu hoch. Die Kanzlerin und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hätten entscheidend daran mitgewirkt, dass der EU-Gipfel endlich eine gemeinsame Position zu den EU-Finanzen gefunden habe.

Artikel vom 24.12.2005