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Deutschland
schöpft neue
Zuversicht

Selbst mit den Politikern versöhnt

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). Die Deutschen feiern Weihnachten 2005 in guter Stimmung. Meinungsumfragen von TNS Emnid zufolge hat sich nicht nur die Einstellung gegenüber der Politik schlagartig gewandelt. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht zeigt die Bevölkerung wieder deutlich mehr Zuversicht.

Dies geht nach Aussage von TNS-Emnid-Geschäftsführer Klaus-Peter Schöppner sogar so weit, dass die Menschen wenige Tage vor dem Jahreswechsel nicht nur an einen leichten Konjunkturaufschwung glauben. Erstmals seit 2002 gehen sie zudem von einem -Êwenn auch leichten - Rückgang der Arbeitslosigkeit aus. Das Verhältnis von Optimisten zu Pessimisten sei inzwischen fast ausgeglichen.
Etwa seit dem Jahr 2000 überwog der Frust das Vertrauen in die Regierung. Wut und Enttäuschung gipfelten im Vorjahr darin, dass nur noch 29 Prozent ihr Zutrauen in die damals rot-grüne Regierung setzten. Heute erntet die neue Bundesregierung unter Angela Merkel bei der gleichen Umfrage eine Zustimmungsquote von 56 Prozent. »Die Deutschen fühlen, dass sich diese Kanzlerin wirklich für Deutschland einsetzt«, erklärte Schöppner im Gespräch mit dieser Zeitung.
Doch nicht nur mit der Regierung, auch mit den Parteien sind die Menschen derzeit zufriedener als noch vor einem Jahr. Den größten Zuspruch erfährt nach wie vor die Union, wobei jedoch die SPD nach Aussage Schöppners »derzeit einen großen Sprung nach vorne macht«. Selbst die Parteien, die nicht an der Regierung beteiligt sind, werden von ihren Anhängern heute mehr gemocht.
Dabei interessieren die Einzelheiten der geplanten Regierungsmaßnahmen herzlich wenig. Selbst die für 2007 angekündigte Mehrwertsteuererhöhung rege derzeit viel weniger auf, als man es vermuten könnte. Wichtig sei in der Bevölkerung das Gefühl, dass die große Koalition die unterschiedlichen sozialen Interessen in sich repräsentiere und ausgleiche.
Schöppner: »Wir leben heute in einer Patchwork-Gesellschaft.« Es gebe immer weniger für alle verbindliche Werte und Zielvorstellungen. Die Koalition der beiden großen Volksparteien biete nun aber die Chance, ein möglichst breites Wertespektrum in der Regierung abzubilden. Dies gelte auch für die soziale Ausgewogenheit der zuzumutenden Sparprogramme, die der Wähler bei CDU/CSU einerseits und SPD andererseits einfach unterstelle.
Zwar, so sagt Schöppner, wohne grundsätzlich jedem Neuanfang ein Zauber inne. Eine andere Sache sei jedoch, wie eine Regierung diese Gelegenheit nutze. Angela Merkel und Franz Müntefering gelinge das besser, als die Mehrheit den Parteien und deren Personal vorher zugetraut habe.
Der bevorstehenden Fußball-Weltmeisterschaft räumt der Bielefelder Meinungsforscher nur einen begrenzten Einfluss auf Politik und Wirtschaft ein. Natürlich wünschten alle, dass Deutschland ein guter Gastgeber sei - ähnlich entspannt und gastfreundlich wie die Portugiesen bei der jüngsten Europameisterschaft. Wenn dies gelinge, könnte auch die Wirtschaft von der WM profitieren.

Artikel vom 24.12.2005