22.12.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Der Blick auf die Zahlen reicht nicht, um die Leistung eines Bankenchefs vollständig zu beurteilen.«

Leitartikel
Ackermann und die Justiz

Unter den
Richter- und
Denkkappen


Von Bernhard Hertlein
Wenn sich ein Jurist die Richterkappe aufsetzt, weiß man niemals so ganz genau, was dabei herauskommt. Grundsätzlich gilt, dass die Aufhebung eines Freispruchs noch keine Verurteilung darstellt. Im Falle des Deutsche- Bank-Chefs Josef Ackermann und seiner Mitangeklagten ist allerdings nach dem, wie der Bundesgerichtshof die Aufhebung begründet hat, alles andere als eine Verurteilung kaum vorstellbar.
Wenn sich ein Rolf Breuer die »Denkkappe« aufsetzt, kann man nur spekulieren, was dabei herauskommt. Grundsätzlich bedeuten Äußerungen über mögliche Nachfolger -Ê»Ich favorisiere sehr stark einen internen Kandidaten« - nicht, dass der Amtsinhaber zur Aufgabe gedrängt werden soll. In dem Fall ist allerdings nach dem, wie sich die Dinge im Aufsichtsrat der Deutschen Bank entwickeln, alles andere als der Plan, den Schweizer Ackermann abzulösen, kaum noch vorstellbar.
Blickt man nur auf die Zahlen, so müsste Breuer eigentlich alles dafür tun, Ackermann zu halten. Unter seiner Führung hat die Deutsche Bank ihren Gewinn deutlich erhöht. Wurde Deutschlands größtes privates Geldinstitut zuvor als Übernahmekandidat gehandelt, so hat es sich dank der Erfolge im Investment-Banking in die Weltliga zurückgespielt.
Doch der Blick auf die Zahlen reicht nicht, um die Leistung eines Bankenchefs vollständig zu beurteilen. Nicht einmal der Hinweis, dass auch das Schaltergeschäft für die »normalen« Firmen- und Privatkunden heute in ruhigeren Bahnen verläuft als etwa noch zu Zeiten zahlreicher Filialschließungen oder der »Bank 24«, kann verdecken, dass Ackermann ganz offenbar das Gespür für die richtigen Worte und Gesten fehlt.
Dabei wurde, nebenbei bemerkt, die Schließung des »Grundbesitz-Invest«-Fonds, die ihm aktuell von der Finanzbranche stark angelastet wird, von seinem Aufsichtsratschef Breuer noch ausdrücklich gelobt: »Die Sache war ein weiterer Meilenstein auf unserem Weg aus der Deutschland AG.«
Zu den fragwürdigsten Äußerungen Ackermanns gehörte diese aus dem ersten Mannesmann-Prozess: »In Deutschland müssen Menschen, die mit Leistung Werte schaffen, strafrechtliche Verfolgung fürchten.«
Welches pervertierte Verständnis von Demokratie und Rechtsstaat muss einer solchen Äußerung zu Grunde liegen? Klaus Tolksdorf hat als Vorsitzender Richter am BGH mit seinem Urteil auch deutlich gemacht, dass Ansehen, Besitz und selbst Verdienste um die Gesellschaft nicht dazu berechtigen, sich über Normen und Gesetze hinwegzuheben.
An dieser Stelle sollte vielleicht daran erinnert werden, dass Ackermann nicht der einzige Angeklagte im Mannesmann-Prozess ist. Die Neuauflage des Verfahrens wird, positiv gesehen, möglicherweise dazu führen, dass Aufsichtsräte künftig nicht mehr so generös Gelder der AG bzw. der Aktionäre an Vorstände verteilen. Der Verdacht, dass sie dies in der Hoffnung tun, im ähnlichen Fall ähnlich gut bedient zu werden, liegt nämlich auf der Hand.

Artikel vom 22.12.2005