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Krankheit der Seele häufig unerkannt

Broschüre des LWL informiert

Informationsdefizite beim Erkennen und Behandeln von seelischen Krankheiten älterer Menschen hat der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), Wolfgang Schäfer, beklagt. »Ob Depression, Demenz oder Sucht - bei alten Menschen werden psychische Erkrankungen oft gar nicht oder zu spät erkannt. Warnsignale werden als typisch altersbedingter Verschleiß abgetan.«
Schäfer fordert angesichts des wachsenden Anteils älterer Menschen in Deutschland eine »breit angelegte Informationsoffensive zur Eindämmung seelischer Erkrankungsrisiken.« Dazu leistet eine neue Broschüre des LWL einen Beitrag. Der Ratgeber »Wenn das Altern krank macht - Hilfen für psychisch kranke ältere Menschen« wendet sich an Betroffene, Betreuer und alle Interessierten. Auch bei betagten Menschen sei zum Beispiel eine Depression in 80 Prozent der Fälle »gut behandelbar«, betont Petra Dlugosch, Gerontopsychiatrie-Chefärztin an der LWL-Klinik Dortmund. »Weil aber zu häufig verkannt wird, dass sich hinter vermeintlich rein körperlichen Beschwerden wie Herzdruck, Schwindel oder Verdauungsstörungen eine Depression verbirgt, unterbleibt die richtige Behandlung.« Unzureichend kurierte Altersdepressionen wiederum tragen dazu bei, dass 40 Prozent der rund 11 000 Selbsttötungen in Deutschland von Menschen über 65 Jahren verübt werden. »Von älteren Männern doppelt so häufig wie von Frauen«, so Dlugosch.
Trotz weiterhin fehlender Heilungschancen bei Demenzerkrankungen tue Aufklärung über Vorbeugung und über Möglichkeiten zur Verlangsamung des Krankheitsverlaufes bitter Not. Gezielte Medikamentenabgabe und spezielle Therapieformen wie zum Beispiel die Erinnerungstherapie mit alten Fotos und vertrauten Melodien helfen Alzheimer-Erkrankten inzwischen, ihre Orientierung und Hirnleistung so lange und so gut wie möglich aufrecht zu erhalten. LWL-Direktor Schäfer will insbesondere die Angehörigen Demenzkranker stärken: »Zwei Drittel der Demenz-Patienten werden in der Familie betreut. Pflegende Angehörige brauchen bei ihrer oft sehr belastenden Aufgabe mehr Unterstützung etwa durch Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen.«
Ebenso wie bei den altersspezifischen Depressions- oder Demenzerkrankungen unterlegt der Ratgeber auch die Themen Sucht unter Senioren und psychotische Störungen alter Menschen mit Fallbeispielen, Expertenstatements und weiterführenden Info-Tipps. So erfährt der Leser etwa, dass der Anteil der über 60-Jährigen, die nach einschneidenden Erlebnissen wie dem Tod eines vertrauten Menschen ein Trunksucht- oder Tablettenproblem haben, im zweistelligen Prozentbereich liegt. Oder dass Wahnerkrankungen bei alten Menschen selten gänzlich neu ausbrechen, sondern zuweilen aus ganz frühen Lebensphasen »mitgebracht« werden. »Mit unserer Broschüre wollen wir seelische Seniorenleiden ein Stück aus der Tabuisierungsecke holen«, erklärte LWL-Direktor Schäfer, »denn was alte Menschen heute erleiden, kann jede und jeden von uns morgen treffen.«
»Wenn da Altern krank macht - Hilfen für psychisch kranke ältere Menschen«, Hrsg.: Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Münster 2005. Bestell-Telefon: (0251) 5 91 32 25.

Artikel vom 03.02.2006