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Satt und sauber reicht den 2500 Mäusen nicht

Uni bildet Tierpfleger für Klinik und Forschung aus

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Das Reinigen der Mäusekäfige, das Füttern und das Tränken der Nager gehört zu den täglichen Pflichten von Silvana Grebe und Ines Losse. Aber nicht nur das: Die angehenden Tierpflegerinnen sind quasi die verlängerten Arme der Biologen, die wissenschaftlich mit den Mäusen arbeiten; sie müssen erkennen, wenn die Tiere sich anders verhalten und daher ein feines Gespür für ihr Wohlergehen haben. Denn längst werden an der Universität nicht nur Wissenschaftler ausgebildet: In der Abteilung »Zentrale Tierhaltung« erlernen derzeit drei junge Leute den Beruf des Tierpflegers, Fachrichtung Klinik und Forschung.

Ausgebildet werden sie von dem Veterinär Dr. Axel Ziesenis und den erfahrenen Kollegen, die Berufsschule besuchen sie in Hannover. Zuständig sind die Tierpfleger derzeit nur für Mäuse. Etwa 2500 dieser Nager machen sich im Dienste der Wissenschaft nützlich, etwa 300 von ihnen leben quasi in Quarantäne, im »Maushaus«, das nur über Schleusen zugänglich ist, in dem ständig leichter Überdruck herrscht und das Wissenschaftler, Tierarzt und Pfleger nur betreten, nachdem sie ihre Alltagskleidung abgelegt und Schutzkleidung angezogen haben.
»Satt und sauber« genügt also nicht bei dieser Tierhaltung für die Forschung: »Ganz wichtig ist das Hygiene- und Qualitätsmanagement«, betont Ziesenis. Deswegen auch setzt er sich wöchentlich mit den sieben Tierpflegern zusammen, werden Arbeitsanweisungen standardisiert und ständig überarbeitet. Außerdem wird den Tieren Beschäftigung geboten. Denn nur Tiere, die sich wohl fühlen, liefern brauchbare Forschungsergebnisse.
»Wichtig ist deswegen auch, dass unsere Tierpfleger die Mäuse genau beobachten und die Wissenschaftler oder mich über Auffälligkeiten informieren«, erklärt Ziesenis. Er muss dann entscheiden, ob ein Tier schlicht erkrankt ist - gerade bei Infektionen ist promptes Reagieren nötig, um eine Ausbreitung zu verhindern - oder ob die veränderten Reaktionen Folge von Manipulationen sind. »Die bestehen zum Beispiel im Ausschalten eines Gens, das dafür sorgt, dass ein Enzym nicht mehr gebildet wird.«
Diese Forschungen erfolgen im Dienste der Menschheit: So werden zum Beispiel Muskelkrankheiten, die beim Menschen tödlich verlaufen, an den Mäusen untersucht. Die Tierchen sind nicht nur wegen ihrer raschen Generationenfolge ein geeignetes Objekt: Der Nager ist dem Menschen auch schlicht genetisch ähnlich. Und weil die Gene eine Rolle spielen, müssen die Tierpfleger auch dafür sorgen, dass sich die richtigen, ausgewählten Mäuse paaren.
Selbstverständlich, betonen Silvana Grebe und Ines Losse, würden die Tierschutzbestimmungen strikt eingehalten. Wenn sie in ihrem Bekanntenkreis erzählen, wo sie arbeiten, werden beide im ersten Moment immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert. Dann hält man sie eher für Tierquäler als Tierpfleger. »Die Menschen sehen die Bilder von Affen mit Elektroden vor sich und denken an Kaninchen, denen Haarspray in die Augen gesprüht wird.«
Damit allerdings haben die Bielefelder Wissenschaftler nichts am Hut. Gleichwohl ist klar, dass die Mäuse Versuchstiere sind - auch wenn sie zumeist nur beobachtet werden. »Aber es gibt Experimente, die für die Tiere belastend sind«, sagt Ziesenis. »Dann muss allen Beteiligten klar sein, was sie warum tun. Und natürlich halten wir die Belastung so gering wie möglich.«
Ohne Betreuung sind die 2500 offiziellen Mäuse der Uni (es gibt noch Heerscharen, die in Rohren, Wänden und abgehängten Decken leben) auch an den Feiertagen nicht: Forscher und Tierpfleger haben auch dann ein Auge auf Mäusin und Mäuserich.

Artikel vom 23.12.2005