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Wolf Schneider

»Immer noch wartet die Welt auf Außerirdische. Immer noch vergeblich. Rührend.«

Leitartikel
Hohe Herren hoch zu Ross

Die Regierung ab ins Ausland?


Von Rolf Dressler
Maybrit Illner liefert herausragende journalistische Qualität. Das bewies sie auch in dieser Woche mit ihrer sachkundig-klugen Gesprächsführung bei der Donnerstagabend-Runde von »Berlin Mitte« im ZDF.
Aufreizend selbstgefällig aber inszenierte sich dort Anton Börner, Präsident des Bundesverbandes des deutschen Groß- und Außenhandels. Dieser Spitzenrepräsentant der deutschen Wirtschaft hatte das Titelthema der Fernsehsendung - »Merkels Mehrwert: Wohin steuert die große Koalition?« - für sich schon unerbittlich rigoros beantwortet. Börners vernichtende (Vor-)Verurteilung der soeben erst ernannten Regierung von CDU/CSU und SPD: Auch mit ihr werde der Patient Deutschland wohl nicht gesunden.
Da mochten SPD-Fraktionschef Peter Struck und CDU-Generalsekretär Volker Kauder noch so sachbezogen gegenargumentieren. Das beeindruckte den Präsidenten des Groß- und Außenhandels ebensowenig wie der Aufruf der beiden Koalitionspolitiker, man möge die Regierung Angela Merkels doch überhaupt erst einmal arbeiten lassen, anstatt ihr schon jetzt zu prophezeien, dass sie scheitern werde.
Unangemessen arrogant entgegnete Börner gleich mehrmals, die Unternehmen, für die er als Verbandsvorsteher spreche, und auch sein eigenes planten bereits voraus bis zum Jahre 2008. Dabei bleibe es und investieren würden viele Firmen vorrangig im Ausland - die »Globalisierung«, Sie wissen schon. Es sei denn, die Regierung Merkel/Müntefering würde - wider Börners Erwarten, versteht sich - doch etwas Brauchbares zuwege bringen. Punktum.
Nun brauchen wir Fernsehzuschauer, Steuerbürger und Re- formopfer-Bringer wirklich keine Mitleidstränen über unsere Politiker zu vergießen. Schließlich haben sie alle - die einen mehr, die anderen allenfalls etwas weniger - den Riesendampfer Deutschland in die heutige Schieflage bugsiert.
Für Arbeitsplatzbesitzer und erst recht für das Zig-Millionen-Heer der Arbeitslosen unerträglich aber sind die stereotyp wiederkehrenden Anklagen der Wirtschaftsspitzenverbände (Dieter Hundt, Anton Börner etc., etc.).
Noch beim Arbeitgebertag in Berlin Anfang November hatte Hundt dem Kongressgast Angela Merkel versichert, man wolle fortan »gemeinsam für Deutschland« wirken. Doch schon vor der Kanzlerin-Wahl im Bundestag ging Hundt die künftige Regierung erneut frontal an: Auch Schwarz-Rot werde den Abstieg Deutschlands nicht stoppen.
Und dann? Kaum waren die CDU-Kanzlerin und ihr Kabinett vereidigt, stieß ausgerechnet Hessens CDU-Ministerpräsident Roland Koch, einer der maßgeblichen Mitverhandler in Sachen Koalitionsvertrag, ins gleiche Horn: Mit dieser Regierung sei kein Staat zu machen, denn Union und SPD seien reformunfähig.
Frage an Radio Eriwan: Sollten deutsche Regierungen besser auswandern? Antwort: Im Prinzip jein. Jedenfalls nicht sofort.

Artikel vom 26.11.2005