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Fleischskandal weitet sich aus

Mittlerweile 50 Betriebe betroffen - Seehofer will durchgreifen

Troisdorf/Berlin (dpa/Reuters). Nach der Aufdeckung des »Gammelfleischskandals« greifen die Behörden schärfer durch. Die Bundesregierung will das Thema jetzt auch EU-weit angehen. Auch neue Fälle wurden bekannt.

In Troisdorf bei Köln wurde der Chef eines Handelsbetriebes vorübergehend in Haft genommen, weil in dem Unternehmen falsch deklariertes, verdorbenes sowie verschimmeltes Fleisch lagerte. Das Kreisveterinäramt schloss den Betrieb. Auch in Neuss, Düsseldorf und Hattingen wurden größere Mengen Fleisch von den Behörden beschlagnahmt. In Düsseldorf wurden etwa 3,5 Tonnen Geflügelfleisch beschlagnahmt. Die gelagerte Ware sei überlagert gewesen. In einem Kühlhaus in Neuss wurden 15 Tonnen Schweinefleisch vorsorglich sichergestellt, die im Juni 2003 und Anfang 2004 eingelagert wurden. Bei einem Einzelhändler in Hattingen wurden 1,9 Tonnen Fleisch vernichtet.
In Berlin kündigte der neue Verbraucher- und Agrarminister Horst Seehofer (CSU) an, er wolle mit den Bundesländern eine Verschärfung rechtlicher Vorgaben ausloten. »Ich werde mich ganz, ganz nachdrücklich um dieses Thema kümmern«, sagte Seehofer.
NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) kündigte ein entschlossenes Vorgehen gegen den Handel mit verdorbenem Fleisch und härtere Strafen für kriminelle Händler an. Er nannte die Gammelfleisch-Vorfälle »eine große Sauerei«. »Ich bin sehr zornig über das, was in diesen Tagen auch hier in Nordrhein-Westfalen passiert«.
Etwa 50 Betriebe und Lager sind bundesweit vom Skandal um verdorbenes Fleisch betroffen. Einige seien selbst betrogen worden, sagte Agrar-Staatssekretär Gert Lindemann am Freitag in Berlin. Nach bisherigen Erkenntnissen gebe es jedoch keine Netzwerke in den Ländern. Es handle sich vielmehr um eine Häufung von Einzelfällen, sagte Lindemann. Eine Gesundheitsgefährdung durch das verdorbene Fleisch könne aber weitestgehend ausgeschlossen werden.
Die Gelsenkirchener Firma des Hauptverdächtigen in dem Skandal hat in diesem Jahr mit mehr als 550 Tonnen Fleisch und Fleischerzeugnissen gehandelt. Über die Qualität der Ware könne auf Grund der gefundenen Dokumente keine Aussage gemacht werden, sagte NRW-Verbraucherschutzminister Eckhard Uhlenberg (CDU). Das Fleisch und die Fleischerzeugnisse seien an Verarbeiter und Händler im gesamten Bundesgebiet sowie ins Ausland geliefert worden. Die Firma Domenz habe unter anderem Kalbfleisch, Spanferkel und Gulasch an Händler im gesamten Bundesgebiet und in Nachbarländer verkauft.
Dem Troisdorfer Fleischhändler (64), der nach einem Tag im Gefängnis Haftverschonung erhielt, werden Verstöße gegen das Lebensmittelgesetz und die Kennzeichnungspflicht vorgeworfen. Er hatte zugegeben, 200 Kilogramm Wurstwaren, deren Verfallsdatum abgelaufen war, neu ausgezeichnet zu haben. Die Behörden beschlagnahmten eine Tonne Fleisch. Der Betrieb, der 2003 schon einmal wegen ähnlicher Verstöße geschlossen war, wurde geschlossen.
Der Hauptverdächtige beim Handel mit »Gammelfleisch«, ein Gelsenkirchener Großhändler, wurde am Freitag stundenlang von Polizei und Staatsanwaltschaft vernommen. Er wies die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück. Er habe nicht gewusst, dass das von ihn gehandelte Fleisch ungenießbar war. Er gab an, das Fleisch selbst nie gesehen zu haben. Die Ware habe er hauptsächlich von einer Firma in Schleswig-Holstein und aus Spanien erhalten.

Artikel vom 26.11.2005