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Hochhuth diesmal ohne Skandal

Uraufführung von »Familienbande« mit Wolfgang Bahro aus »GZSZ«

Von Matthias Schröter
Brandenburg (dpa). Für die Uraufführung seiner Komödie »Familienbande« muss Rolf Hochhuth (»Der Stellvertreter«) morgen wieder in die märkische Provinz. Doch sein neues Stück schlägt bei weitem noch nicht so viel Wellen wie »McKinsey kommt«, das Anfang 2004 ebenfalls in Brandenburg/Havel uraufgeführt wurde.
Ging mit dem Stück in die Provinz: Rolf Hochhuth.Foto: dpa

Mit seiner Kritik an Konzernmanagern hatte Hochhuth seinerzeit viele Schlagzeilen ausgelöst. In den vergangenen Wochen interessierte die Öffentlichkeit jetzt aber mehr, dass »Familienbande« in der Regie von Oliver Munk mit Schauspielern der RTL-Serie »Gute Zeiten - schlechte Zeiten« wie zum Beispiel Wolfgang Bahro besetzt wurde.
Der Leser der Textvorlage (Rowohlt Taschenbuch Verlag) kann aber durchaus den Eindruck gewinnen, dass »Familienbande« eine Fortsetzung des Arbeitslosen-Dramas »McKinsey kommt« ist. 2004 galt die Aufregung einem Zitat zu RAF-Attentaten: »Schleyer, Ponto, Herrhausen warnen.« Der ehemalige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Michael Rogowski reagierte empört. Ob Hochhuth Mord als Mittel der politischen Auseinandersetzung hoffähig machen wolle, fragte Rogowski.
Auch der Deutsche-Bank-Vorstandssprecher Josef Ackermann wurde in »McKinsey kommt« angegriffen. In »Familienbande« empört sich die Hauptfigur Schachwitz: »Dass der Deutsche-Bank-Chef Ackermann abermals zweitausend Frankfurter Bankangestellte liquidierte, um die Verzinsung des Eigenkapitals auf fünfundzwanzig Prozent zu steigern!« Tochter Felice fragt: »Du meinst, den legt einer um?« Schachwitz antwortet: »Wenn noch nicht den - so bestimmt einen Nachfolger; Vorgänger wurden ja auch schon ermordet.« Schachwitz findet das »folgerichtig« und »unausweichlich«.
Und der »Dramatiker, der politische Bomben legt«, wie das »New York Times Magazine« einst schrieb, nimmt laut Textvorlage noch andere aufs Korn: In Anspielung auf den Ex-Ministerpräsidenten Brandenburgs, Manfred Stolpe (SPD), lässt Hochhuth Schachwitz sagen: »... ein ausgeleierter Kirchenrat wird Verkehrsminister, bringt's aber nicht fertig, jahrelang nicht, die Maut einzuführen.«
Breit streut der Autor seine Kritik an dem Verkauf eines Teiles des Grundstückes der Berliner Akademie der Künste und attackiert in diesem Zusammenhang heftig den ehemaligen Berliner Bausenator Wolfgang Nagel (SPD). Vor der Eröffnung der Akademie hatte Hochhuth seinem Unmut über den Verkauf während einer Pressekonferenz Luft gemacht.
Ebenso suchte der Autor über das Jahr hinweg die Öffentlichkeit mit Themen, die jetzt in »Familienbande« auf der Bühne landen. Durch ein Interview mit der »Jungen Freiheit« löste er heftige Kritik aus. Hochhuth verteidigte darin den Holocaust-Leugner David Irving als »seriösen Historiker«, entschuldigte sich aber später. Irving behauptet in zwei Hitler-Biografien, Hitler habe nichts von der Judenvernichtung gewusst. Schachwitz: »Hitler war nicht so blöd, auch nur ein Wort zu hinterlassen, mündlich oder schriftlich, dass er je von Auschwitz gehört habe.«
Ansonsten handelt das Stück von brüchigen Familienfassaden, Betrug und Korruption in Berlin. Schachwitz (Bahro) hat eine Straße bauen lassen, die nur in den Akten existiert. Die Ausgaben für die Verschönerung der Straße stellt er der Stadt in Rechnung und finanziert damit seinen Lebenswandel. Nach Angaben des Theaters sind einige Passagen des Stückes gestrichen worden, weil die Aufführung sonst knapp vier Stunden gedauert hätte.
Die Uraufführung im Brandenburger Theater ist ausverkauft. Weitere Aufführungen sind am 26. November sowie 7., 17., 22. Dezember und am 14. Januar geplant. Darsteller sind neben Bahro Hanne B. Wolharn, Josephine Schmidt, Ulrike Frank und Robert Lyons.

Artikel vom 24.11.2005