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»Intensives Verhältnis« zu Paris

Angela Merkel und Chirac wollen die Europäische Union voranbringen

Paris/Brüssel (dpa/Reuters). Die neue Bundeskanzlerin Angela Merkel will den deutsch-französischen Beziehungen in ihrer Außenpolitik weiterhin ein hohes Gewicht geben, setzt dabei aber neue Akzente.
Auf ihrer ersten Auslandsreise als Kanzlerin sagte Merkel nach einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac gestern in Paris, sie habe die »tiefe Überzeugung, dass es ein freundschaftliches und intensives Verhältnis« beider Länder geben müsse. Im Gegensatz zu Chirac sprach Merkel dabei aber nicht von einer »deutsch-französischen Achse«. Als erstes nach Paris zu fahren, sei »kein Ritual«, betonte Angela Merkel.
Sie lud den Staatspräsidenten für Anfang Dezember nach Berlin ein und sagte, die Praxis der häufigen bilateralen Treffen müsse fortgesetzt werden.
Nach dem halbstündigen ersten Gespräch sagte Chirac, dass Europa nur dann gedeihen könnte, wenn es eine »deutsch-französische Achse beinhaltet«. Diese müsse »wirklich solide« sein. »Wenn wir uns nicht verstehen, ist das ganze System blockiert.« Sie wollten beide ein politisches und soziales Europa, sagte er.
Die französische Presse hielt mit Genugtuung fest, dass Merkel den traditionellen ersten Antrittsbesuch in Paris machte. Auch Frankreich könne durch sie und eine Wiederannäherung zwischen Berlin und Washington nur gewinnen, meinte »Le Figaro« zu der Kanzlerin, die ein Pariser Gratisblatt »Madame Allemagne« taufte.
Deutschland und Frankreich wollen nach den Worten des neuen deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier intensiv bei der anstehenden Lösung der EU-Finanzprobleme und in Fragen der Ausländerintegration zusammenarbeiten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat eine »Weiterentwicklung« der Beziehungen zwischen Deutschland und den USA versprochen. Auf die Frage, ob die Beziehungen zwischen Berlin und Washington »repariert« werden müssten, sagte sie gestern nach einem Besuch bei der NATO in Brüssel: »Ich bin der Überzeugung, dass sie weiterentwickelt werden können.« Die NATO müsse »verstärkt der Ort werden, an dem man zuerst über bestimmte politische Fragen spricht«. Nur wenn es keine Einigung gebe, sollten NATO-Staaten »eigene Wege gehen«.
Mit der Übernahme der einzelnen Ministerien hat die große Koalition gestern den Regierungswechsel abgeschlossen. Die neuen Ressortchefs übernahmen von ihren Vorgängern etwa im Finanz-, Sozial- und Außenministerium in kleinen Zeremonien die Geschäfte. Insgesamt bekamen elf Bundesministerien einen neuen Chef oder eine neue Chefin.

Artikel vom 24.11.2005