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Die kleinen Patienten ernst nehmen

Praxis Dr. Hosseini erfüllt die Kriterien bei hartem Qualitätsmanagement

Von Matthias Kleemann
(Text und Fotos)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Das Zertifikat hängt noch nicht an der Wand in der Praxis, und Dr. Seyen-Hassan Hosseini ist sich - aus reiner Bescheidenheit - auch noch nicht ganz sicher, ob er es aufhängen soll. Immerhin könnte der Kinder- und Jugendarzt seinen Patienten und ihren Eltern auf diesem Wege mitteilen, dass er mit Erfolg an einem Qualitätsmanagement der Stiftung Praxissiegel teilgenommen hat und sämtliche Anforderungen erfüllt.

Die Untersuchung hat in diesem Jahr stattgefunden, insgesamt 14 Kinder- und Jugendarztpraxen im Kreis Gütersloh haben daran teilgenommen. Gut ein halbes Jahr hat das gedauert. Visitoren sind in die Praxis gekommen und haben sich für alles interessiert: Für den Arztkoffer und die Müllentsorgung, für das sterile Gut und die Ausstattung des Wartezimmers, für praxisinterne Abläufe und vieles mehr. Zum Beispiel: Gibt es ein Recall-System, das heißt, werden die Patienten benachrichtigt, wenn zum Beispiel eine Vorsorge-Untersuchung oder eine Impfung ansteht? Selbst der Anrufbeantworter der Praxis wurde abgehört, um herauszufinden, ob die Ansage verständlich ist. Schließlich gab es eine anonymisierte Patientenbefragung, an der in der Praxis etwa 80 Patienten teilgenommen haben. Die Fragebögen kamen nach dem Ausfüllen in einen versiegelten Behälter, bevor sie ausgewertet wurden.
Ein großes Thema sind Wartezeiten. »Die lassen sich manchmal nicht vermeiden«, sagt Dr. Hosseini. »Vor allem dann, wenn akute Erkrankungen dazwischen kommen. In der Regel haben die Eltern dafür aber Verständnis.« Seine Mitarbeiter habe er so geschult, dass sie bei der Terminannahme ausreichend Luft für unvorhergesehene Fälle lassen.
Obwohl Hosseini den ärztlichen Qualitätszirkeln im Kreis Gütersloh und in Bielefeld angeschlossen ist, gab es natürlich auch in seiner Praxis Dinge, die man noch besser machen kann. »Eine Forderung war, dass wir unseren Kühlschrank mit einem Minimum-Maximum-Thermometer ausstatten«, berichtet der Arzt. Eine sinnvolle Anschaffung, denn so ein Thermometer dokumentiert, ob die Temperatur in dem Kühlschrank irgendwann (zum Beispiel wegen eines Stromausfalls) einen gewissen Höchstwert überschritten hat. Empfindlicher Impfstoff könnte dann verdorben sein und müsste entsorgt werden.
Oder der »Meckerkasten«: »Den wollten wir eigentlich schon immer installieren, haben es aber ständig vor uns hergeschoben. Jetzt können Eltern Briefe mit Lob und Tadel dort einwerfen.« Auch der Bitte nach einer größeren Zeitschriftenvielfalt im Wartezimmer ist die Praxis nachgekommen. »Dabei gebe ich im Jahr schon 300 bis 400 Euro für Bilderbücher und Spielmaterial für Kinder aus.« Gern genommen wird zum Beispiel Malzeug. So beschäftigt, vergeht für die jungen Patienten die Wartezeit wie im Flug.
Apropos Flug: »Flugzeugbrezeln« sind vor allem für die jungen männlichen Patienten der Renner. Brezeln aus Salzstangenteig hält der Arzt als kleine Belohnung für alle Patienten bereit. »Ich bin nicht so für Süßigkeiten.« Flugzeugbrezeln werden daraus, wenn der Arzt sie wie ein Flugzeug fliegen und im Mund des Patienten landen lässt.
Der 49-Jährige hat die Praxis vor zehn Jahren von Dr. Walter Müller übernommen. Es ist die einzige Kinder- und Jugendarztpraxis im Ort. Nach seinem Patientenstamm befragt, verweist Hosseini auf einen Datenbestand von etwa 10000 Namen. »Ich liebe meinen Job«, sagt er von sich selbst. Die Achtung vor den kleinen Patienten sei wichtig. Manchmal fühlten Eltern sich übergangen, weil er sich zunächst ausschließlich den Kindern zuwende. Doch gerade die sollen sich ernst genommen fühlen. Etwas, was aus seiner eigenen Beobachtung manchmal erwachsene Mediziner nicht einmal bei erwachsenen Patienten fertig brächten. Selbst einjährige Kinder seien schon für persönliche Ansprache empfänglich und dann sogar häufig in der Lage, selbst schmerzhafte Untersuchungen klaglos über sich ergehen zu lassen.
»Ärzte sollten den Mut haben, sich unter die Lupe nehmen zu lassen«, fasst Hosseini seine positiven Erfahrungen mit dem Qualitätsmanagement zusammen. Ärzte seien aber auch in der Lage, die Kriterien für solche Qualitätstests selbst zu entwickeln. Damit könne man einer Kommerzialisierung in diesem Bereich vorbeugen, die der Arzt für falsch hält. Möglicherweise sei dies der Grund, weswegen einige Praxen aus dem Kreis der Veröffentlichung ihrer Namen nicht zugestimmt haben, obwohl sie alle Kriterien erfüllen.

Artikel vom 17.11.2005