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Die fabelhafte
Welt der Amelie

Mauresmo durch WM-Titel erlöst

Los Angeles (dpa). Amelie Mauresmo hat den Fluch besiegt. Tränen der Erlösung liefen der 26-Jährigen über das Gesicht, als sie in Los Angeles durch das 5:7, 7:6 (7:3), 6:4 im französischen Finale über Mary Pierce erstmals den WM-Titel geholt hatte.

»Ich kann es kaum glauben. Viele haben an mir gezweifelt und gesagt, ich werde nie ein großes Turnier gewinnen, aber ich habe nie aufgegeben, und jetzt wurde ich belohnt«, sagte die strahlende Siegerin. Belohnt mit einer Million Dollar Preisgeld und der Gewissheit, doch besser zu sein als ihr Ruf, in großen Endspielen und wichtigen Momenten nervlich zusammenzubrechen. Zudem hat sie sich in der neuen Weltrangliste auf Rang drei verbessert.
Noch am Freitag hatte Amelie Mauresmo in der Gruppenphase mit 6:2, 4:6, 2:6 gegen Mary Pierce verloren, doch ihr 7:6, 6:3-Halbfinalerfolg über Vorjahressiegerin Maria Scharapowa (Russland) habe »ihr Siegergen aktiviert«. »Ich habe gespürt, dass meine Zeit reif ist«, erzählte Mauresmo nach dem 19. Turniersieg ihrer Karriere.
Die Abschiedsvorstellung der WM vom Turnierstandort Los Angeles hätte dramatischer kaum ausfallen können. 186 Minuten lang lieferten sich die beiden Freundinnen vor 5000 Zuschauern im Staples Center eine erstklassige Partie, nach dem Wimbledonfinale zwischen Venus Williams und Lindsay Davenport (beide USA) war es zweifellos das qualitativ hochwertigste Endspiel der Damentour in diesem Jahr. Pierce hatte wegen einer leichten Leistenverletzung Schmerztabletten geschluckt, aber unwohl fühlte sich zunächst nur Mauresmo, die den ersten Satz verlor.
Mit überraschender Lockerheit steckte sie diesen Rückschlag weg und wurde stärker. Von Versagensangst keine Spur. Sie erhöhte das Risiko und reduzierte die Fehler. Nach der 4:1-Führung im zweiten Durchgang bekam sie dann doch noch einen vorübergehenden Zitterhand-Anfall, rettete sich aber mit einem überragenden Tiebreak in Satz Nummer drei. Die Entscheidung fiel schließlich beim Stand von 4:4, als Pierce ihren Aufschlag verlor und im darauf folgenden Spiel bei Mauresmos Service drei Breakbälle ungenutzt ließ.
»Hoffentlich werde ich keine Albträume haben«, meinte Pierce, die nach den Final-Niederlagen bei den French- und US-Open bereits das dritte Negativerlebnis in einem großen Endspiel in diesem Jahr durchmachen musste. »Ich habe gefühlt, wie sehr Amelie diesen Sieg wollte. Sie hat es verdient.«
Wie hatte Mauresmo gelitten nach der WM-Final-Niederlage gegen Kim Clijsters (Belgien) vor zwei Jahren oder der Endspiel-Pleite bei den Australian Open 1999. Oder nach dem Fedcup-Finale im September gegen Russland, als sie alleinverantwortlich für die Niederlage gemacht worden wurde. »Das war der absolute Tiefpunkt. Ich habe mir sehr, sehr viele Fragen gestellt. Heute habe ich die richtige Antwort gegeben«, offenbarte die erste französische Weltmeisterin.

Artikel vom 15.11.2005