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Partner hadern mit Vertrag

Die Koalitionsparteien haben an Inhalten schwer zu schlucken

Berlin (Reuters). Union und SPD haben schwer zu schlucken am Regierungsprogramm ihrer eigenen Führungen. Die Kritik setzte am Samstag fast zeitgleich mit der Vorstellung des Koalitionsvertrags ein.
»Ich kann in diesem Koalitionsvertrag eine Handschrift der Union einfach nicht erkennen«, sagte der CDU-Finanzexperte Friedrich Merz. Aus der Steuersenkungspartei werde jetzt eine Steuererhöhungspartei und »aus der Partei, die den Arbeitsmarkt öffnen wollte, wird die Partei der fortgesetzten Regulierung«. Laut Merz bleibt die Koalition schon jetzt hinter dem Notwendigen zurück.
»Wir zahlen insgesamt für das Kanzleramt einen hohen Preis«, sagte der frühere Fraktionsvorsitzende. Auch die Gesundheitsprämie sei von den Vorsitzenden »fast schon mit Begeisterung über Bord geworden worden«. Für die Steuerpolitik gelte: »So viel SPD war nie.«
Noch-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) kritisierte, »die große Koalition hat sich dem süßen Gift der Mehrwertsteuererhöhung zu schnell hingegeben« Dies würge die Konjunktur ab. Es sei zu wenig über notwendige Reformen gesprochen worden.
Der Wirtschaftsrat der CDU forderte Korrekturen, um Wirtschaft und Beschäftigung anzukurbeln. Präsident Kurt Lauk monierte, Wirtschaft und Bürgern werde tief in die Tasche gegriffen. Die Regierung müsse nach ihrem Amtsantritt nachbessern.
CDU-Vize Christoph Böhr brachte das Dilemma auf den Punkt: »Ist die große Koalition nun ein schwarzer Marienkäfer mit roten Punkten oder ein roter Käfer mit schwarzen Punkten?«. Er selbst, so Böhr, wisse es nicht.
»Wir wissen, dass wir mit diesem Koalitionsvertrag den Menschen im Lande auch etwas zumuten«, sagte die designierte Kanzlerin Angela Merkel bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages. Die neue Regierung wolle aber klar machen, wie es um Deutschland tatsächlich stehe, und ehrlich die Konsequenzen ziehen.
Neben der Sanierung des Haushalts sei der Abbau der Arbeitslosigkeit das Hauptziel. Daran wolle sich die Koalition messen lassen. »Deutschland sollte es schaffen, dass wir in zehn Jahren wieder unter den ersten drei Ländern in Europa sind«, sagte Merkel.
Die Unions-Bundestagsfraktion hat den Koalitionsvertrag gestern einhellig bei einer Enthaltung gebilligt, sagte Angela Merkel. Der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeber-Bundesverbandes, Reinhard Göhner (Herford), habe aber bemängelt, das Programm führe nicht zur Belebung von Wachstum und Arbeitsmarkt. Ohne förmliche Abstimmung billigten SPD-Präsidium und -Vorstand gestern den Koalitionsvertrag.
Merkel und der designierte Finanzminister Peer Steinbrück kündigten an, 2006 könne kein verfassungskonformer Haushalt vorgelegt werden. Die geplante Neuverschuldung in Höhe von 41 Milliarden Euro stellt einen neuen Rekord dar.

Artikel vom 14.11.2005