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Mordprozess auf der Kippe

Reichen zwei Blutstropfen für eine Verurteilung aus?

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WB). Für Staatsanwalt Ralf Vetter ist der Fall sonnenklar. Zwölf Jahre nach dem Mord an der Paderborner Sozialpädagogin Elisabeth Tewes hat er den mutmaßlichen Täter angeklagt.

Doch nach vier Verhandlungstagen steht der Prozess auf Messers Schneide. Denn mit Rainer H. sitzt möglicherweise der Falsche auf der Anklagebank des Paderborner Schwurgerichts. Zwei Blutspritzer auf dem Mantel des Opfers belasten den 33-jährigen Serienvergewaltiger, der bereits in Sicherungsverwahrung sitzt. Wie sie dort hingelangt sind, darüber kann nur spekuliert werden. Ein DNA-Abgleich brachte die Mordkommission vergangenes Jahr auf die Spur des Angeklagten. Hinweise auf irgendeine Verbindung zwischen ihm und Elisabeth Tewes gibt es allerdings nicht. Und der Beschuldigte hüllt sich in Schweigen.
Ein Anderer hatte die Tat indes schon gestanden. Manuel A. (34) aus Detmold brüstete sich damals vor seiner Freundin, er sei dabei gewesen, als ein Mann namens Klaus-Peter M. (39) aus Warburg die Frau getötet habe. »Alles Blödsinn«, wies der Warburger, der am Freitag als Zeuge gehört wurde, alle Anschuldigungen zurück. Auch Manuel A. will davon nichts mehr wissen: »Ich stand unter Drogen und habe das alles erfunden, um meiner Freundin zu imponieren«, sagt er heute.
Beide Männer sind wegen schwerer Gewaltdelikte erheblich vorbestraft. Die von beiden für die Tatzeit genannten Alibis erwiesen sich als falsch. Ein Zeuge will am Auto des Opfers, das später in Detmold gefunden wurde, zwei Männer gesehen haben. Trotzdem ging die Mordkommission dieser Spur nicht weiter nach.
Auch ein an der Heckklappe des VW Golf sichergestellter Fingerabdruck ist offenbar nicht mit denen von A. und M. verglichen worden. Nach dem Verbleib dieses Abdrucks, der sich nicht bei den Asservaten befindet, wird jetzt im Bielefelder Polizeipräsidium geforscht. »Der Fingerabdruck könnte zur Überführung des Täters führen«, hatte ein Beamter in einem Aktenvermerk niedergeschrieben. Verteidiger Andreas Carl sprach von »schlampigen Ermittlungen«. Er will auf Freispruch plädieren. Der Prozess geht weiter.

Artikel vom 05.11.2005