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Irrfahrt über den
ganzen Kontinent

Zigaretten-Schmuggler geständig


Bielefeld (uko). Der Mann, der die Bielefelder Justiz monatelang durch seine Flucht nach Sibirien in Atem gehalten hat, hat am Mittwoch vor dem Landgericht ein Teilgeständnis abgelegt. Zigarettenschmuggler Wladimir F. (28) soll einen Steuerschaden von insgesamt drei Millionen Euro verursacht haben. Auch seine Komplizen waren gestern vor der 1. Großen Strafkammer weitgehend geständig.
Insgesamt sieben Transporte mit Lkw quer durch ganz Europa hat Staatsanwalt Joachim Stollberg Wladimir F. zur Last gelegt. Sechs der Taten gab der gebürtige Russe zu. Allerdings will er von seinen Hintermännern in Griechenland zum Schmuggel erpresst worden sein. Die ebenfalls auf der Anklagebank sitzenden Walter K. (27) und Willi K. (26) gaben die zwei ihnen jeweils zur Last gelegten Taten zu.
Die 21 Millionen Schmuggel-Zigaretten hatten von Januar 2003 bis April 2004 eine abenteuerliche Odyssee über den Kontinent. Die Glimmstängel der englischen Nobelmarken »Lambert«, »Superking« oder »Sovereign« waren in Irland produziert worden und wurden nach Zypern (damals kein EU-Mitliedsstaat) exportiert. Bestimmungsort sollte eigentlich Asien sein, doch dort kam die Fracht nie an. Stattdessen wurden die Zigaretten nach Griechenland geschmuggelt.
Von Patras aus übernahmen Lkw-Züge der Angeklagten das Schmuggelgut: Über Ancona in Italien kam die Ware nach Deutschland, wo sie in Lagern in Ostwestfalen-Lippe unter dem Tarnmantel legaler Fracht wie Hygieneartikel oder Papiertücher kaschiert wurde. Über La Rochelle in Frankreich sollten die Zigaretten dann nach Großbritannien eingeschleust werden, wo die Ware zu viel Geld gemacht worden wäre: Ein Schachtel Zigaretten kostet dort derzeit fast acht Euro . . .
Wladimir F. war im Juni 2004 festgenommen worden, war jedoch zwei Monate später unter spektakulären Umständen geflohen: Er verletzte sich in der Haftanstalt Brackwede I an der Hand, nutzte einen Aufenthalt in der Klinik Rosenhöhe zur Flucht nach Irkutsk am Baikalsee in Russland Dort ließ ihn Staatsanwalt Joachim Stollberg aufspüren, F. saß fast ein halbes Jahr in russischer Auslieferungshaft. Diese Zeit will Stollberg nur im Schlüssel 1:1 umrechnen lassen. Zwar seien die Haftbedingungen in Russland sehr widrig, doch habe sich Wladimir F. doch durch seine Flucht nach Irkutsk der Fahndung und der Inhaftierung selbst ausgesetzt. - Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.

Artikel vom 03.11.2005