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OWL besser
als das Land

Stiftung rügt hohe Arbeitslosigkeit

Von Dietmar Kemper
Bielefeld/Gütersloh (WB). In Ostwestfalen-Lippe ist die minimale Belebung auf dem Arbeitsmarkt noch am ehesten spürbar. Während in ganz Nordrhein-Westfalen die Zahl der Erwerbslosen im Oktober nur um 2000 auf 1,039 Millionen sank, sind bei den Agenturen im Regierungsbezirk Detmold jetzt immerhin 2599 Männer und Frauen weniger registriert.

Dass jeder von ihnen einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz bekommen hat, ist aber eher unwahrscheinlich. Nur die Zahl der Mini-Jobs und Ich-AGs nehme zu, sagte Eric Thode von der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh gestern dieser Zeitung. Die Stiftung veröffentlichte das Standort-Ranking der 21 führenden Industrienationen.
Bei Wirtschaftswachstum und Beschäftigung liegt Deutschland demnach auf dem letzten Platz, der Abstand zu den Spitzenreitern Irland und USA ist groß. Deutschland habe es bislang nicht geschafft, die hohe Arbeitslosigkeit spürbar zu senken, sagte Thode.
Zwar sei nach Einführung von Hartz IV der Anteil der arbeitenden oder Arbeit suchenden Personen um einen Prozentpunkt auf 77,9 Prozent geklettert, aber ein genauerer Blick sorge schnell für Ernüchterung. Während nämlich die Zahl der Mini-Jobber (4,8 Millionen), der Ich-AGs (235 000) und der Arbeitsgelegenheiten (300 000 Ein-Euro-Jobs) steige, gehe der Umfang der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze weiter zurück. Thode: »Von dieser Entwicklung profitiert die deutsche Gesellschaft nicht. Renten- und Krankenversicherung müssen Rückgänge bei den Beitragseinnahmen hinnehmen.«
Die Bertelsmann Stiftung schlägt niedrige »Einstiegslöhne« vor, um Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen (in NRW allein 432 000) neue Chancen zu eröffnen. Thode: »In Deutschland ist mittlerweile mit 18 Prozent fast jeder fünfte Geringqualifizierte arbeitslos. Damit sind wir trauriger Spitzenreiter.« Auch in der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen habe keine andere Industrienation eine so hohe Arbeitslosenquote wie Deutschland mit 11,3 Prozent.
Die üppig angewandte Praxis der Frühverrentung und das Vorurteil, ältere Mitarbeiter seien weniger leistungsfähig, hätten dazu entscheidend beigetragen. Eric Thode: »Empirische Studien haben längst belegt, dass ältere Kollegen zum Beispiel in Büro-Berufen genauso lernfähig und produktiv sind wie jüngere.«
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg geht genauso wie der scheidende Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement davon aus, dass die Zahl der Arbeitslosen im kommenden Winter über die Fünf-Millionen-Marke steigen wird. Wenn sich »politisch nichts Durchgreifendes« ändere, werde es wahrscheinlich so kommen, erklärte Vorstand Heinrich Alt. In ganz Deutschland sank die Arbeitslosenzahl im Oktober um 94 000 auf 4,556 Millionen. Auf die letzten fünf Monate hochgerechnet, bedeutet das einen Rückgang um 140 000. Im Westen suchen 3 097 000 Männer und Frauen einen Job, das sind 402 000 mehr als im Vorjahr. Dagegen sank die Zahl im Osten im Vergleich zum Vorjahr um 53 000 auf 1 459 000.

Artikel vom 03.11.2005