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Horst Köhler

»Geld für Afrika ist nicht das Hauptproblem, mir geht es auch um Moral und Weltethos.«

Leitartikel
Afrikas bessere Seite

Boom
im
Busch


Von Reinhard Brockmann
Die Sorgen müsste Deutschland haben! Südafrika legt seit elf Jahren ununterbrochen kräftiges Wirtschaftswachstum vor, zuletzt vier Prozent. Zu wenig, meinen die Volkswirte am Kap. Nur wenn sie sechs Prozent schaffen, kann bis 2014 die Armut halbiert werden.
Dem Geleitzugführer einer Reihe von Schwellenländern geht es so gut, dass eine geplante Anleihe über 1,5 Milliarden Dollar auf Eis gelegt wurde. Neue Schulden? Wir brauchen kein Geld!
Die Nachrichten vom Schwarzen Kontinent sind verwirrend: Korruption, Aids, Völkermord, selbst Sklaverei und Despoten bestimmen das eine Bild.
Die Demokraten kommen nicht voran, wohl aber die Chinesen. Der Energiehunger des Gelben Riesen verstopft Hafenkapazitäten von Kapstadt über Durban bis hinauf nach Port Sudan am Roten Meer. Im Gegenzug fließen Billigwaren, den Glasperlen von einst nicht unähnlich, Waffen und Bestechungsgelder.
Auch die USA sind längst auf die Ölvorkommen, insbesondere vor Westafrika, fixiert. Koloniale Raubzüge sind nicht mehr möglich, allerdings nur, weil die neuen Regierungscliquen auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind.
Das andere Bild von Afrika ist in Öl gemalt: Es zeigt den am schnellsten wachsenden Öl- und Rohstoffmarkt der Welt. Und: Offshore, also vor der Küste, werden noch reiche Öl-Lagerstätten vermutet. Sudan hält Explorationsergebnisse aus Darfur und den Nuba-Bergen streng geheim. Algerien und Nigeria planen eine Trans-Sahara-Pipeline. Sie soll Erdgas 4500 Kilometer via Algerien zu den europäischen Abnehmern transportieren.
Es darf beim Wirtschaftsboom allein nicht bleiben. In keinem der afrikanischen Förderländer hat der Ölreichtum den Menschen jenseits der Günstlingsschicht rund um die nationalen Regierungen genutzt. Nigeria verdient schon seit Jahrzehnten am Öl, aber das größte Volk Afrikas leidet unter bitterer Armut, rüdem Bandenwesen und dem Fehlen jeglicher Sozialstrukturen. Die Begründung ist einfach: Es gibt keine funktionierende Verwaltung, die für ihre Bürger da ist.
Wege aus der Misere, die nicht in allen 50 Staaten Afrikas so abgrundtief wie etwa in Nigeria und Sudan ist, will der deutsche Bundespräsident weisen. »Partnerschaft mit Afrika« heißt eine von Horst Köhler ganz persönlich angestoßene Initiative.
Seine gesamte Amtszeit will er diesem Thema widmen. Köhler wird im November bei einer Konferenz auf dem Bonner Petersberg mit fünf Staatschefs, Afrika-Sympathisanten wie dem Autor Henning Mankell und Nobelpreisträgern Tacheles reden. Spannungen und Widersprüchliches soll auf den Tisch.
Gesucht werden die wahren Ursachen. Korrupte Eliten, verschleuderte Entwicklungshilfe, unfaire Handelshürden, Arroganz der Reichen: Köhler weiß, wovon er spricht. Als Ex-Chef des Internationalen Währungsfonds hat er schon in so manchem Regierungspalast unter Palmen für eisige Temperaturen gesorgt.

Artikel vom 28.10.2005