27.10.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Streit um Zensuren endete mit Mord

Klassenlehrerin erstochen - Haftstrafen


Lübeck (dpa). Der Streit um ein halbes Dutzend Sechsen endete mit Mord: Weil sich ein 18 Jahre alter Schüler ungerecht behandelt fühlte, musste seine Klassenlehrerin sterben. Acht mal stach sein älterer Bruder auf die 55-Jährige ein. Dafür verurteilte das Lübecker Landgericht den 21-Jährigen gestern wegen Mordes zu acht Jahren und neun Monaten Gefängnis. Der Schüler kam dagegen mit drei Jahren und zehn Monaten Haft wegen gefährlicher Körperverletzung davon. Die Richter wählten deutliche Worte: »Diese Kammer hat eine Tat dieses Ausmaßes aus einem derart geringfügigen Anlass noch nicht erlebt.«
»Es ging um eine Bagatelle, die Versetzung des Jungen war ebenso wenig gefährdet wie seine geplante Bewerbung bei der Bundeswehr. Als überdurchschnittlich intelligenter Junge hat er gewusst, dass sein Verhalten Grund für das angespannte Verhältnis war«, sagte der Richter. Mitschüler, Lehrer und Bekannte hatten beide Angeklagten als höflich, freundlich und wohlerzogen beschrieben. Der 18-Jährige war in der Realschule, wo er die 10. Klasse besuchte, sogar als Streitschlichter geschätzt. Nur seinen eigenen Stress konnte er offensichtlich nicht bewältigen: Monatelang schwelte ein Konflikt zwischen dem Jugendlichen und seiner Klassenlehrerin.
Sie behandele ihn ungerecht, schikaniere ihn, weil er ausländischer Herkunft sei, so hatte er sich bei seinem älteren Bruder nach dessen Aussage beklagt. Hintergrund des Konfliktes zwischen der Lehrerin und ihrem Schüler war vermutlich ein von der Schulkonferenz beschlossenes, inzwischen aber abgemildertes Strafsystem für Verfehlungen der Schüler. Für vergessene Hausaufgaben und Berichtigungen gab es eine Sechs und den Verweis in den Flur, ebenso für unentschuldigtes Fehlen.

Artikel vom 27.10.2005