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Wolfgang Beutin

»Der Bürger ist ein Mensch, der eine Satire lebt und
es nicht merkt.«

Leitartikel
Papiertiger Rechtsstaat?

Endlich
reden Richter
Klartext


Von Rolf Dressler
Zuletzt noch im Mai dieses Jahres war Generalbundesanwalt Kay Nehm mit der deutschen Strafjustiz in einem besonders empfindlichen Punkt ungewöhnlich scharf ins Gericht gegangen. Zu Recht.
Denn beileibe nicht nur dem ranghöchsten Ermittler, Fahnder und Ankläger unseres demokratischen Staates missfällt schon seit längerem, dass zahlreiche Gerichte den geheimen Nachrichtendiensten alles andere als wohlgesonnen sind. Ja, sie misstrauen deren Nachforschungen sogar vielfach ganz offen und legen derlei kriminalistische Erkenntnisse deshalb oftmals selbst dann beiseite, wenn sie über hochgefährliche islamistische Organisationen und die Planung terroristischer Anschläge Aufschluss geben könnten.
Dem Geruch einer solchen »sehr merkwürdigen Zurückhaltung«, die der Generalbundesanwalt für grundfalsch hält, will sich das Oberlandesgericht Düsseldorf aber dankenswerterweise nicht aussetzen. Sonst hätte es drei Palästinenser sowie einen »Unterstützer« algerischer Herkunft nicht so uneingeschränkt für schuldig befunden, mindestens drei terroristische Mordanschläge auf Juden in Deutschland geplant zu ha- ben. Milde Urteile oder gar Freisprüche wären vor allem aus zwei Gründen ein Hohn gewesen:
- Als Befehlsgeber der Terrorgruppe El Tawhid gilt augenscheinlich jener Abu Massab al-Sarkawi, der nach gesicherten Erkenntnissen der Hauptdrahtzieher der Endlos-Serie verheerender Bombenattentate und Anschläge im Irak ist. Gefahrenstufe 1 also.
- Und: Ausgerechnet die vielgescholtenen deutschen Geheimdienste hatten den Düsseldorfer Richtern das prozessentscheidende Informations- und Täterdaten-Mosaik beschafft. Ein erfreulicher Ausweis für Leistungsfähigkeit.
So konnte - zumindest für die- ses Mal - neues Grauen gerade noch abgewendet werden. Menschenleben wurden gerettet vor einem Feind, der auch hier wieder vernichtend aus dem Nichts hätte zuschlagen wollen. Das wiegt schwerer als die gleichwohl enormen Folgekosten der beinahe all- gegenwärtigen Terror-Bedrohung. Wir Steuerzahler freilich müssen sie berappen, wer sonst?
Quälend lange ziehen sich Strafverfahren hin, ob gegen Ter- roristen, Rauschgiftbanden oder sonstiges Organisiertes Verbrechen. Und immer wieder - unfassbar, aber leider deutsche Wirklichkeit: Neben legalen und illegalen »Zuwanderern« können sich bei uns offensichtlich selbst Terroristen und einschlägig vorbestrafte Berufsverbrecher ohne allzu große Mühe »geduldeten» (Dauer-)Aufenthalt, Sozialhilfe, Krankenpflege und sonstige staatliche Wohltaten erschleichen. Identität gefälscht? Pass gefälscht? Kein Problem.
Tanzen in diversen deutschen Ausländerbehörden die Mäuse auf den Tischen? Es muss weit gekommen sein, wenn den Richtern im Düsseldorfer El-Tawhid-Prozess nun schon öffentlich die Haare zu Berge stehen angesichts der, wie sie sagen, schier »unglaublichen Mißstände«, auf die sie ebendort gestoßen sind.

Artikel vom 27.10.2005