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Beethovens laut tönendes Heldentum

Saisonauftakt der beliebten Reihe Wiener Klassik in der Oetkerhalle

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Die Reihe »Wiener Klassik« hat sich in Bielefeld binnen weniger Jahre zu einem echten Publikumsmagneten entwickelt. Mehr als 1000 Konzertbesucher - so war am Rande des Saisonauftakts in der Oetkerhalle zu erfahren -Ê haben mittlerweile ein Abo auf Heribert Beissel und sein Reiseorchester, die Klassische Philharmonie Bonn, abgeschlossen.

So kurz vor der Zielgeraden zum Mozartjahr verblüfft, dass Beissel ein komplettes Programm Ludwig van Beethoven, dem großen Sohn der Stadt Bonn, widmet. In der thematisch verwandten Umklammerung von »Prometheus«-Ouvertüre und »Eroica« hebt Beissel in der Mitte das tonartlich der »Eroica« (Es-Dur) nahestehende Klavierkonzert Nr. 3 in c-Moll (Paralleltonart zu Es-Dur) auf den Plan. Mögen programmatisch gesetzte Verbindungslinien auch durchaus erstrebenswert sein, so gehen doch allzu enge Beziehungen schnell mit einem gewissen Ermüdungseffekt einher, denn wie der Gaumen des Gourmets, so will auch das Ohr des Musikliebhabers gekitzelt sein. Etwas mehr Abwechslung in der musikalischen Menüfolge wäre somit nicht von Schaden gewesen.
Mit Verve und fast bühnendramatisch gesetzten Bewegungsimpulsen serviert Heribert Beissel in den Eckpunkten seine Helden. Die Geschöpfe des »Prometheus« gewinnen unter dem präzisionskantigen Spiel des Orchesters Profil. Der Tanz des Bacchus kommt mit beschwipst-beschwingter Leichtigkeit herüber.
Mit seiner dritten Sinfonie, der »Eroica«, setzte Beethoven dem Helden der Französischen Revolution, Napoleon Bonaparte, ein tönendes Denkmal. Als sich der Korse 1804 die Kaiserkrone aufsetzte, soll Beethoven in einem Zornesausbruch das Titelblatt mit der Widmung vernichtet haben.
Geblieben ist der Versuch, mit den Mitteln der Musik das Psychogramm eines Helden zu zeichnen. Beissel gestaltete das Bild in kraftvollem, pastosen Farbauftrag. Energiestrotzend und ein wenig mechanisch stampft der Held durchs »Allegro con brio«. Gewaltig und schaurig wird er zu Grabe getragen. Im Scherzo wirkt die heldische Seele geheimnisvoll und wie von Gespenstern gejagt (geschmeidige Hörner, filigrane, bewegliche Streicher). Das Finale zeigt den Unsterblichen. Beissel zeichnete sehr plakativ in der Dynamik und Akzentgebung und das bestens auf ihn eingestellte Orchester folgte ihm minutiös.
Auf frischem Klanggrund und animiertem Orchesterspiel kann Sebastian Knauer im Mittelteil des Programms sein klavieristisches Können wunderbar ausspielen. Der 34-jährige gebürtige Hamburger überzeugte in den Ecksätzen mit technischer Brillanz (betörend klare Läufe, raffinierte Vorschläge und Triller) und musikantischem Temperament. Lediglich im Largo mangelt es ihm an Ausdruck und Gefühlstiefe. Die poetische Fülle der Musik offenbart sich eben nicht mal eben in einer (unerträglichen) Tempodehnung.
Gleichwohl: Das Publikum applaudierte den Künstlern emphatisch und ging mit einer Brahms-Zugabe (Intermezzo A-Dur) beglückt in die Pause.

Artikel vom 27.10.2005