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Jazz-Stücke in voller Schönheit

Dave Holland Quintet spielt in der Stadthalle - Freiraum für spontane Ausbrüche

Gütersloh (WB). Über das Dave Holland Quintet ist eigentlich alles gesagt: Bei Down Beat stets ganz oben, die Alben werden mit erstklassigen Kritiken geradezu überschüttet, die Live-Auftritte stehen dem in nichts nach - im Gegenteil: sie erweitern das ohnehin schon hoch spannende Material um jene spontanen Einwürfe, die eben nur auf der Bühne entstehen.

Was bleibt dem Musikjournalisten da noch zu tun? Nicht viel, und der Abend verläuft etwa so: Entspannt zurücklehnen und zuhören, wie die hohen Erwartungen scheinbar mühelos erfüllt werden und sich schon mal die eine oder andere Lobeshymne zurecht legen. Zum Beispiel diese: Das Dave Holland Quintet zeigte am Sonntagabend im kleinen Saal der Gütersloher Stadthalle, wie genial einfach sich fünf Solisten zu einem atemberaubenden Ganzen vereinen können. Ein weiteres Highlight in der langen Reihe großer Konzerte der Gütersloher Jazzreihe.
Nun wird es gerade einen Freund der Freiheit und der spontanen Improvisation, wie es der angenehm normal gebliebene Bassist und Bandleader Dave Holland eben ist, nicht gerade freuen, wenn man die Aufritte seiner Band vorhersagen kann; in puncto Qualität trifft dies allerdings hundertprozentig zu. Eine Tatsache, die ganz wesentlich damit zusammenhängt, dass die Band seit ihrer Gründung 1997 kaum personelle Änderungen erfuhr: Dave Holland, Posaunist Robin Eubanks und Vibraphonist Steve Nelson waren von Anfang an dabei, Saxofonist Chris Potter stieß wenig später hinzu. Momentan muss das Quintet allerdings auf den etatmäßigen Schlagzeuger Billy Kilson verzichten, der im Vorprogramm von Sting auf den ganz großen Bühnen unterwegs ist - und von seinem jungen Kollegen Nate Smith in Gütersloh exzellent vertreten wurde. Dieser geriet zwar mächtig ins Schwitzen und suchte während des Konzerts immer wieder den Blickkontakt mit Holland, überraschte aber gleichsam mit einem komplexen Rhythmuskonzept.
So durften sich die durchkomponierten, aber dennoch mit viel Freiraum für spontane Ausbrüche versehenen Stücke der laut Down-Beat-Umfrage immer noch besten Jazz-Gruppe dieses Planeten auch in Gütersloh zu voller Schönheit entfalten: Im Kopf setzte sich diesmal beispielsweise eine ganz einfache, aber unwiderstehliche Ostinato-Figur fest, die Dave Holland bei »Secret Garden« immerzu wiederholte. Eine schlichte Schönheit. Auch Robin Eubanks hatte in seiner Komposition »Full Circle«, die er schon im März bei seinem Gastspiel im ehemaligen Gütersloher Jugendzentrum mit seinem Trio »EB3« gespielt hatte, eine solche Figur parat. Im tiefen Register der Posaune knarzend, verankerte Eubanks die eingängige Melodie tief im Gedächtnis der Zuhörer, wohl wissend, dass Chris Potter gleich zu einem seiner berüchtigten Tenor-Soli ansetzen würde.
Die Lücken, die ihm seine Bandkollegen in ihren Vorträgen herausfordernd hinwarfen, füllte der eben so verschroben aussehende wie geniale Steve Nelson mit seinen süßen Vibraphon- und Marimbaklängen, die man schon deshalb genießen sollte, weil es sie so selten zu hören gibt. Wenn man dann noch das Glück hat, einem Virtuosen wie Nelson zu begegnen, ist der Rausch nicht mehr weit. In ebendiesen Rausch hatte sich auch das Quintet gespielt, als es im letzten Stück »Lucky Seven« dem Rest der Jazzwelt noch einmal zeigte, was man im Zusammenspiel so alles auf die Beine stellen kann, wenn sich die Musiker blind verstehen.
Collin Klostermeier

Artikel vom 25.10.2005