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Talente, Tränen und Trophäen

Argentinische Sopranistin gewinnt Gesangswettbewerb »Neue Stimmen«

Von Uta Jostwerner (Text)
und Wolfgang Wotke (Fotos)
Gütersloh (WB). Tränen lügen nicht. Schon gar nicht die Freudentränen von Maria Virginia Savastano, frisch gekürte Siegerin des internationalen Gesangswettbewerbs »Neue Stimmen 2005«. Die erst 22-jährige Sopranistin konnte beim Finalkonzert in der Stadthalle Gütersloh Jury und Publikum gleichermaßen überzeugen.

Sichtlich gerührt nahm die Sängerin die Siegertrophäe in Empfang. Um Kontakte, aufregende Wettbewerbserfahrungen und 10 000 Euro reicher, darf die Argentinierin zugleich auf einen Karrieresprung hoffen.
Indes, allein die Einladung zur Teilnahme des im zweijährigen Turnus von der Bertelsmann-Stiftung ausgerichteten Wettbewerbs kommt einem Ritterschlag gleich -Êden in diesem Jahr 45 Nachwuchstalente aus der Riege der weltweit 1200 Bewerber schafften.
Nach Semifinale mit 14 Aspiranten schafften es beim Finale am Samstagabend der 23-jährige russische Tenor Alexey Kudrya (2. Preis, 7500 Euro) und die gleichaltrige russische Sopranistin Anna Aglatova (3. Preis, 6000 Euro) aufs Siegertreppchen. Beide hatten zuvor mit Glanzarien aus Verdis »La Traviata« punkten können. Er als Alfredo mit lyrischem Schmelz und gleichermaßen voluminösen Belcanto, sie als Violetta mit Empfindungsreichtum, großem Farb- und Modulationsspektrum sowie hellem Koloraturenstrahl.
Keine leichte Aufgabe für die hochkarätige, rund um Gérhard Mortier besetzte Jury, eine Wahl zu treffen. Dass letztendlich die auch vom Publikum mit Bravo-Rufen bedachte Savastano den Sieg davontrug, sei das Resultat der gesamten Wettbewerbswoche, sagte Mortier.
Bei der Bewertung flossen neben der Qualität der Stimme, der Technik und Stilistik auch die künstlerische Persönlichkeit sowie Durchhaltevermögen und Stressbewältigung ein. Und offenbar wurde Maria Virginia Savastano sämtlichen Anforderungen am Besten gerecht.
Die mit Ausstrahlung und Bühnenpräsenz gesegnete Sängerin konnte ihr schelmisch-kokettes Talent in zwei Arien aus Donizettis »Don Pasquale« und Puccinis »La Bohème« optimal ausspielen. Zu einem samtig-weich timbrierten Sopran gesellt sich bei ihr noch eine enorme Ausdrucks- und Strahlkraft in den Höhenlagen.
Auch die weiteren Finalisten Yiaolin Zhou (China), Jane Archibald (Kanada), Jurgita Adamonyte (Litauen) und Emma Vetter (Schweden) beeindruckten mit vielversprechenden musikalischen Leistungen. Ebenso die unter Jonathan Darlington flexibel, reaktionsschnell, einfühlsam und präzisionsverliebt aufspielenden Duisburger Philharmoniker.
Reden der Stiftungspräsidentin Liz Mohn, die ankündigte, eine gesonderte Musik- und Kulturstiftung für die Kinder-, Jugendlichen und Lehrerfortbildung gründen zu wollen, und des Jury-Vorsitzenden Mortier rundeten einen durchweg niveauvoll-unterhaltsamen Abend ab, durch den Moderator Holger Noltze mit Sachverstand und Charme führte.

Artikel vom 24.10.2005