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Individualist glänzt im Kollektiv

3:2 - Arminia dreht in Nürnberg das Spiel, Zuma trifft in letzter Minute

Von Hans Peter Tipp
Nürnberg (WB). Immer wieder musste Trainer Thomas von Heesen nach dem 3:2 (1:1)-Sieg des Fußball-Bundesligisten Arminia Bielefeld beim 1. FC Nürnberg die Frage nach dem Schützen des entscheidenden Tores beantworten.

Sibusiso Zuma, der am Samstag in der 90. Minute erst Dominik Reinhardt mit einer Pirouette schwindelig gespielt und aus spitzem Winkel eingenetzt hatte: Der Individualist und das Kollektiv, wie geht das so gut zusammen?
Während der Sport-Geschäftsführer Reinhard Saftig noch völlig beeindruckt war, dass Zuma bei einer kurzzeitigen Behandlungspause Markus Schulers gar links verteidigen wollte, und von Heesen artig die in Bielefeld bereits bekannten Formulierungen (»große individuelle Klasse«, »stellt sich in den Dienst der Mannschaft«, »braucht seine Freiheiten«, »wird von der Mannschaft angenommen«) aufzählte, merkte der Co-Trainer bereits kritisch an, die Fragestellung sei falsch.
»Individuelle Klasse kann sich nur über das Kollektiv entwickeln«, stellte Frank Geideck fest und nannte gleich ein ganz prominentes Beispiel: »So machen es die Brasilianer auch.« Nur wenn eine Mannschaft funktioniere, könne die Klasse des Einzelnen überhaupt zur Geltung kommen.
Brasilianisch mutete die 82-minütige Vorgeschichte der hinreißend wechselhaften Schlusssequenz im Frankenstadion allerdings nicht an, und so kam von Heesen zu diesem Urteil: »Es war in den letzten Minuten eine sehr aufregende Partie, was man von der anderen Spielzeit nicht sagen kann.«
Die Fakten sprachen für sich: Reinhardts Führung (1.) glich Michael Fink mit seinem ersten Bundesligatreffer (35.) aus. Danach zeichnete sich ein leistungsgerechtes 1:1 ab, ehe Ivica Banovic ein von Kießlings Lattenkopfball zufällig ausgelöstes Strafraumgestochere mit dem 2:1 (83.) abschloss. Mit einem abgefälschten Schuss des eingewechselten Diego Leon (88.) und der brillanten Einzelleistung Zumas (90.) drehte Arminia die Partie.
Erstmals nach 14 Auswärtsspielen in Folge gelang damit wieder ein »Dreier« in der Fremde, und seit dem Zweitligaspiel in Cottbus wurde erstmals wieder ein Rückstand in letzter Minute noch zu einem Sieg umgewandelt.
»So was erlebt man nicht so oft«, staunte Jungverteidiger Heiko Westermann, obwohl er nach eigener Aussage »im Fußball schon viel mitgemacht habe.« Und selbst sein Trainer, immerhin als Spieler mal Gewinner des Europapokals der Landesmeister, meinte: »Man braucht manchmal ein paar Stunden, um darüber nachzudenken, wie es zum 3:2 gekommen ist.«
Ob es tatsächlich der Glaube an die eigene Stärke, der an die Gerechtigkeit im Fußball oder der schiere Mut der Verzweiflung war, der seine Spieler nach dem unerwarteten 1:2-Rückstand noch einmal zur Gegenreaktion trieb, blieb unbeantwortet. Torwart Hain beobachtete jedenfalls, wie seine Vorderleute zur Mitte eilten, schnellstmöglich den Anstoß ausführten »und nach vorn spielten«. Das sei das entscheidende Signal gewesen, beurteilte der Keeper.
Und dann passierte es: Erst Leon, dann Zuma - Arminia gewann ein Spiel, das eigentlich schon verloren schien, aber niemals hätte verloren werden dürfen. »Das Ding noch zu drehen, das ist natürlich Wahnsinn«, befand Zuma: »Ein großer Sieg für uns.« Mannschaftskapitän Hain (»Zur Halbzeit hätte es auch 1:3 oder 1:4 gegen uns stehen können«), wegen seiner frühen Paraden zu einem nicht geringen Teil an dem späten beteiligt, sparte nicht mit Lob für den Mann des Tages: »Er ist immer für ein gutes Ding gut, eine tolle Aktion - oder eben ein Tor.« Dieses Mal waren es zwei Vorlagen und der Siegtreffer. Mehr geht kaum.

Artikel vom 24.10.2005