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Friedland - das Tor in die Freiheit

Grenzdurchgangslager besteht seit 60 Jahren - Feierstunde mit Köhler

Friedland (dpa). Bundespräsident Horst Köhler hat die Deutschen zu »Wachsamkeit gegen extremistische Verführer« aufgerufen. »Wir haben bisher die richtigen Lehren aus unserer Geschichte gezogen«, sagte Köhler gestern während der Feier zum 60-jährigen Bestehen des Grenzdurchgangslagers in Friedland bei Göttingen.
Im Gespräch mit Bundespräsident Horst Köhler: Vor fast genau 50 Jahren ist Peer H. Lange (l.) aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt.
Deutschland sei heute eine »freiheitliche, friedfertige Demokratie« und ein weltweit angesehenes Land, sagte Köhler. Der Preis der Freiheit bleibe die Wachsamkeit gegenüber Extremisten.
Während des Festaktes wurde auch an die Rückkehr der letzten 10 000 deutschen Kriegsgefangenen und Zivilinternierten aus der Sowjetunion im Oktober 1955 erinnert. Sie waren - wie bis heute insgesamt mehr als vier Millionen Menschen - über Friedland in die Bundesrepublik gekommen.
Friedland sei seit 60 Jahren »ein Symbol für die besten Eigenschaften unseres Landes: für Freiheit, für Mitmenschlichkeit und für Friedensliebe«, sagte der Bundespräsident. Es sei für Millionen Menschen das Tor zur Freiheit geworden - für die deutschen Gefangenen, Vertriebenen und Flüchtlinge ebenso wie für viele Menschen aus anderen Nationen.
Inzwischen gehe es darum, »sich Menschen zuzuwenden, die als Spätaussiedler oder Emigranten unsere Mitbürger werden wollen«, sagte Köhler. Er rief die Deutschen dazu auf, diesen Menschen bei der Eingewöhnung zu helfen. »Unser Land soll ihnen zur Heimat werden.« Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) sagte, das Land fühle sich weiterhin dem Auftrag verpflichtet, für die ankommenden Menschen zu sorgen.
Das Lager Friedland war im Frühherbst 1945 auf Weisung der britischen Militärverwaltung errichtet worden, um die damals immer größer werdenden Flüchtlingsströme aus dem Osten zu registrieren. Die ersten Ankömmlinge wurden in beschlagnahmten Viehställen untergebracht.
Doch noch vor dem Winter ließen die Briten von deutschen Kriegsgefangenen auf einem Rübenacker in der Nähe des Friedländer Bahnhofs Zelte und Wellblechbaracken aufstellen. An dieser Stelle befindet sich das nach und nach immer weiter modernisierte Lager noch heute.
Seit 1945 wurden in Friedland mehr als vier Millionen Menschen aufgenommen. In den vergangenen Jahren hat der Zustrom von Aussiedlern aus den Staaten der früheren Sowjetunion allerdings immer mehr nachgelassen.
Derzeit befinden sich nach Angaben des Lagerleiters Heinrich Hörnschemeyer 600 Aussiedler in der Einrichtung. Damit ist nur etwa ein Viertel der Betten belegt. Insgesamt werden in diesem Jahr 40 000 Aussiedler erwartet. Für die kommenden Jahre rechnet das niedersächsische Innenministerium nur noch mit jeweils 25 000 Personen.
Eine »Sternstunde« hat das Lager nach Ansicht von Bundespräsident Köhler vor 50 Jahren erlebt. Im Oktober 1955 begann der Rücktransport der letzten deutschen Kriegsgefangenen und Zivilinternierten aus der Sowjetunion. Der Vizepräsident des Verbandes der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen (VdH), Heinz Oppermann, sagte, er erinnere sich an einen »begeisterten Empfang auf dem Weg ins Grenzdurchgangslager, den uns die Bevölkerung bereitete«. Er war selbst nach zehn Jahren in sowjetischen Lagern Ende 1955 in Friedland eingetroffen.
Deprimierend sei der Anblick der vielen Frauen gewesen, die den Heimgekehrten Schilder mit den Namen vermisster Angehörigen entgegen streckten, sagte Oppermann. »Sie weinten, wenn wir ihnen keine positive Antwort geben konnten. Worte des Trostes blieben uns im Halse stecken«.

Artikel vom 13.10.2005