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SPD hält weiter an Schröder fest

Union droht mit einem vorläufigen Ende der Sondierungsgespräche

Berlin (dpa/Reuters). Die SPD lehnt weiter die Anerkennung einer Kanzlerschaft von CDU-Chefin Angela Merkel noch vor Aufnahme von offiziellen Koalitionsverhandlungen mit der Union strikt ab.
Was will die SPD? Amtsinhaber Gerhard Schröder klebt angeblich nicht an seinem Sessel, Parteichef Franz Müntefering riskiert ein Scheitern einer großen Koalition, noch bevor sie ihre Arbeit aufgenommen hat.

»Wir möchten so viel wie möglich von unserem Wahlmanifest in Regierungshandeln mit Gerhard Schröder an der Spitze durchsetzen«, sagte der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering gestern beim Gewerkschaftstag der IG BAU in Bonn. Zu den Chancen für eine große Koalition sagte Müntefering, er wisse nicht, ob es gelingen werde. »Wir werden einen ehrlichen Versuch machen.«
Heute treffen sich SPD und Union zu einer dritten Sondierungsrunde, um die Chancen für eine große Koalition auszuloten. Auch SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter lehnte eine Vorfestlegung ab. Merkel werde selbst in ihren eigenen Reihen »als Leichtmatrosin« bezeichnet, der die SPD nicht folgen könne. Auch die SPD leite aus dem Wahlergebnis einen Führungsanspruch ab und wolle an ihrem Kanzler festhalten. Alle gegenseitigen Ansprüche müssten »zwischen den gleich starken Partnern auf gleicher Augenhöhe verhandelt werden«, sagte Benneter.
Die CDU erwartet wegen des anhaltenden Streits um die Kanzlerschaft in einer großen Koalition eine Aussetzung der Sondierungsgespräche mit der SPD nach der heutigen dritten Runde. In einer Telefonkonferenz des CDU-Präsidiums am Montagabend seien erhebliche Zweifel aufgekommen, ob die Gespräche mit der SPD über die Bildung einer großen Koalition nach den Beratungen heute direkt fortgesetzt werden könnten, sagten Teilnehmer der Schaltkonferenz
»Es wird erwartet, dass die Sondierungen nach einem kurzen Treffen heute vermutlich unterbrochen werden müssen«, sagte ein Präsidiumsmitglied. Die Union wolle sich vor Klärung der Kanzlerfrage nicht auf weitere inhaltliche Beratungen mit der SPD einlassen.
CDU-Generalsekretär Volker Kauder bekräftigte, dass formelle Koalitionsverhandlungen erst beginnen könnten, wenn die SPD den Anspruch von CDU-Chefin Angela Merkel auf das Kanzleramt anerkenne.
In der Unionsspitze wurde darauf verwiesen, dass weitere inhaltliche Beratungen mit der SPD für die Union taktische Risiken mit sich bringen könnten: Falls sich im Verlauf der Gespräche inhaltliche Kompromisslinien abzeichnen sollten und die Bildung einer großen Koalition dann nur noch von der Kanzlerfrage abhinge, könnte die Union mit ihrem Beharren auf Merkels Führungsanspruch in die Rolle eines Blockierers gedrängt werden.
Schröder hatte am Montag zwar Kompromissbereitschaft signalisiert und betont, bei der Kanzlerschaft gehe es nicht um seine Person, sondern um den Führungsanspruch seiner Partei. Das SPD-Präsidium hatte es später jedoch erneut strikt abgelehnt, während der Sondierungen mit der Union Schröders künftige Kanzlerschaft in Zweifel zu ziehen.
Die Grünen sehen auch angesichts des Machtkonflikts von Union und SPD keine ausreichende Basis für ein weiteres Sondierungsgespräch mit der Spitze von CDU/CSU. Wegen programmatischer Unterschiede und kultureller Differenzen gebe es für eine Wiederaufnahme der Gespräche über ein Regierungsbündnis von Union, FDP und Grünen keine Grundlage, sagte Parteichefin Claudia Roth gestern. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 05.10.2005