30.09.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Mit vier Kindern auf der Flucht

Mittellose Familie haust seit sieben Wochen im Auto und in Wäldern

Von Christian Althoff
Horn-Bad Meinberg (WB). Ein niederländisches Ehepaar ist mit seinen vier Töchtern auf der Flucht vor dem Jugendamt. Die Familie wurde zuletzt in Horn-Bad Meinberg (Kreis Lippe) gesehen, wo sie in einer Grillhütte übernachtete.

»Wir sind sehr besorgt um die Mädchen«, sagte gestern Polizeisprecher Thomas Aling aus Utrecht. Henk K. (51), der eine Fahrschule besitzt und als streng gläubig beschrieben wird, soll seine Kinder massiv vernachlässigt haben. »Die hygienischen Verhältnisse im Haus der Familie sind sehr schlecht«, sagte Aling. Zwei Söhne waren bereits in einem Kinderheim untergebracht worden, als Mitarbeiter des Jugendamtes am 17. August auch die Töchter Anneke (10), Paula (12), Linda (13) und Arenda (15) mit einem richterlichen Beschluss abholen wollten. »Das Haus in der Ortschaft Zeist war verwaist, der Gashahn aufgedreht«, sagte Aling.
Die Polizei ermittelte, dass der Vater am 11. August einen VW Bora gemietet hatte, in dem die Familie seitdem auf der Flucht ist. »Die sechs dürften lediglich ihre Pässe und ein paar T-Shirts bei sich haben«, sagte Aling.
Trotz mehrerer Fahndungsaufrufe fehlte von der Familie jede Spur - bis sie in der vergangenen Woche in Ostwestfalen-Lippe auftauchte. Johannes Glitz, Inhaber des Campingplatzes »Eggewald« in Horn-Bad Meinberg: »Mir fiel an dem Mittwoch zunächst ein Mädchen auf, das mit einer leeren Sprudelflasche auf unseren Platz kam und Wasser zapfte.« Am nächsten Morgen habe er dann die ganze Familie an einer nahegelegenen Grillhütte entdeckt: »Die Eltern hatten darin übernachtet, die Mädchen im Auto.«
An der Grillhütte kam kurz darauf auch eine Niederländerin vorbei, die ihre Ferien auf dem Campingplatz »Eggewald« verbrachte. Ihr erzählte Henk K., dass er mit Ehefrau und Töchtern Urlaub in Deutschland mache. Die Frau wunderte sich allerdings, dass die Familie einen rohen Kohlkopf aß und keine Campingausrüstung hatte.
Nach ihrer Rückkehr in die Niederlande sah die Urlauberin einen Fahndungsaufruf im Fernsehen und alarmierte die Polizei. »Weil die Familie kein Geld mehr haben dürfte, um zu tanken, hält sie sich möglicherweise weiter in der Nähe versteckt - vielleicht in einem Wald«, sagte Polizeisprecher Aling. Da die Nächte kälter würden und die Kinder keine entsprechende Kleidung hätten, mache sich die Polizei große Sorgen. »Die Gesundheit der Mädchen dürfte angeschlagen sein, denn sie leben jetzt schon seit sieben Wochen im Auto«, sagte Aling.
Die Polizei hat inzwischen große deutsche Speditionen informiert, bei denen insgesamt mehr als 3000 Fahrer beschäftigt sind. Aling: »Die halten jetzt alle Ausschau nach dem grauen VW Bora mit dem schwarz-gelben Kennzeichen 14-FH-KV.«
Über Ehefrau Ineke K. sagte die Polizei, dass sie ihrem Mann folge und ihm nicht widerspreche. Es sei nicht zu erwarten, dass sie versuche, Henk K. mit den Mädchen zu entkommen. Thomas Aling: »Wir können nur hoffen, dass der Mann seiner Familie in der ausweglosen Lage nichts antut.«

Artikel vom 30.09.2005