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Union und SPD kommen sich näher

Große Koalition nimmt Form an

Berlin (dpa). Union und SPD haben gestern auf dem steinigen Weg zu einer großen Koalition trotz der nach wie vor ungeklärten Kanzlerfrage erste Fortschritte erzielt. Am kommenden Mittwoch sollen die Gespräche fortgesetzt werden.

Anderthalb Wochen nach der Bundestagswahl zeigten sich Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel nach dem zweiten Sondierungsgespräch überraschend zuversichtlich, dass eine gemeinsame inhaltliche Basis für ein stabiles Bündnis gefunden werden kann. Beide Seiten hielten zu Beginn des zweieinhalbstündigen Gesprächs ihren Anspruch aufrecht, die Regierung zu führen.
Die CDU-Vorsitzende Merkel zeigte sich wie die übrigen Gesprächsteilnehmer »angenehm beeindruckt« von der Gesprächsatmosphäre, die sie vor zwei Wochen zum Wahlkampfende »so nicht für möglich gehalten hätte«. Sie bat die Bürger um Geduld: »Niemand kann erwarten, dass das alles in zwei Tagen gelöst werden kann.«
Schröder sagte: »Ich gehe davon aus, dass es gelingen kann, ja wird, eine stabile Konstruktion zustande zu bringen.« Diese werde dann auch über vier Jahre halten. Müntefering meinte: »Es gibt keinen Senior- und keinen Juniorpartner.« Es sei auf gleicher Augenhöhe gesprochen worden.
CSU-Chef Edmund Stoiber verlangte aber nach dem Treffen mehrmals, dass die SPD Merkels Anspruch auf das Kanzleramt akzeptieren müsse, bevor es zu Koalitionsverhandlungen komme. Zu seiner Zukunft sagte er: »Wenn es zu einer großen Koalition kommt und die Konstellationen stimmen, bin ich dabei.«
Die Union hatte es zuvor trotz der sich abzeichnenden Annäherung abgelehnt, die Wahl des Bundestagspräsidenten bei der konstituierenden Sitzung am 18. Oktober zu verschieben. Die Parlamentarischen Geschäftsführer von Union, FDP, Grünen und Linkspartei wiesen den Vorstoß aus rechtlichen Gründen zurück.
In den Fraktionen halten sich Spekulationen, dass CDU und CSU auf ihren Anspruch auf den Parlamentspräsidenten zu Gunsten der SPD verzichten könnten, wenn es zur großen Koalition kommt, um so die Sozialdemokraten zur Wahl einer Bundeskanzlerin Merkel zu bewegen.
Nach Worten Münteferings und Merkels wurde über die Föderalismusreform, die sozialen Sicherungssysteme sowie über die Themen Arbeit und Haushalt gesprochen. Schröder wies auf die mit der Agenda 2010 eingeleiteten Reformschritte hin, die fortgeführt werden müssten. Dazu gehörten die Betreuung von Kindern und Investitionen in Wissenschaft und Forschung. Themen wie der zwischen der Union und SPD strittige EU-Türkei-Beitritt wurden ausgespart. Konkrete Absprachen über Projekte gab es nicht.
Außer Merkel, Stoiber und Althaus nahm auch NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sowie CSU-Landesgruppenchef Michael Glos für die Union teil. Die SPD entsandte neben Schröder und Parteichef Müntefering Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt.S. 4: Hintergrund u. Kommentar

Artikel vom 29.09.2005