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Maren Sagemüller denkt in Bildern

Neue Serie: WESTFALEN-BLATT besucht Rietberger Künstler in ihren Ateliers

Von Johannes Zoller
Rietberg (WB). Wie vielfältig das Rietberger Kulturleben ist, zeigt nicht nur die überaus erfolgreiche Kulturig-Reihe. In den Ateliers entstehen Bilder, Skulpturen und Collagen. In einer neuen Serie stellt das WESTFALEN-BLATT die Künstler und ihre Werke vor. Den Anfang macht heute Maren Sagemüller.

Sieht Maren Sagemüller eine Landschaft, so denkt sie diese simultan als Bild. Es kann auch durchaus vorkommen, dass sich bei ihr eine dementsprechende Wahrnehmung noch erweitert und zum Beispiel in einer süddeutschen Landschaft bei Rottach- Egern (Tegernsee) plötzlich ein Tiger erscheint, was ihrem Gemälde »Ankunft in Rottach-Egern« eine in fantastische Dimensionen reichende Nuance verliehen hat.
Die Malerin hat hier aufgrund der Ähnlichkeit von Landschaften und Naturstimmungen wie eine assoziative Verbindung zwischen dem Mangfallgebirge und dem Gharwal, oder aber dem Alpenvorland und dem Vorland zum Himalaya in sich erfahren. Der Tiger konnte wie eine Synthese dieser Intuition darstellen und wurde wie ein Bild in einem Bild und auch aus diesem heraus wie eine lebendige Idee geboren.
Wie aber kam Sagemüller zu solchen und anderen Eingebungen? Indem sie sich selbst nicht zu wichtig nahm und sich demütig in den Dienst ihres Werkes gestellt hat. Sie hat sich in die Landschaft eingefühlt. »Alles ist Gefühl, und ich muss nicht immer alles wissen«, sagt sie. Hätte sie alles im Voraus schon besser gewusst, hätte sie keine Intuitionen haben können. Hätte sie nicht ihre Gefühle für Landschaften, Menschen, Tiere und Gegenstände wach werden lassen, wären ihre naturalistisch gestalteten Ölgemälde ohne jene Intensität in der Atmosphäre geblieben, welche die Selben in ausdrucksvollen Farben, immer wieder stimmungsvoll erfüllte. »Gemalt habe ich immer, seit meiner Kindheit«, berichtet die 1951 in Hamburg geborene Künstlerin, die nunmehr seit zehn Jahren die Malerei ganz zu ihrer Sache gemacht hat. Davor hatte sie viele Jahre ihren Beruf als gelernte Schaufensterdekorateurin ausgeübt. Seit 1971 lebte sie aus familiären Gründen in Neuenkirchen, wobei sie seit 1980 als freie Malerin in Rietberg wie in Umbrien (Italien) wunderbare Ölbilder kreierte. »Die Naturlandschaften Umbriens, wo ich in meinem Atelier bei Montercki regelmäßig male, bedeuten für mich eine große, örtliche Inspirationsquelle.« Sowohl die wabernde Sommerhitze um uralte, italienische, von Zypressen umgebene Häuser, deren von der Sonne erwärmte Mauern regelrecht durch Sagemüllers Bilder hindurch spürbar werden können, als auch Licht, Schatten und eine sehr sensibel ausgewählte, moderate Farbgebung einer kleinen Palette künden von einer geheimnisvollen Einheit der Natur mit dem von Menschen Erbauten. »Auf mich wirken die 700 Jahre alten, umbrischen Natursteinhäuser fast wie Lebewesen, die perfekt in die dortige Landschaft eingebettet sind. Diese Häuser haben für mich einen Charakter und drücken damit auch etwas Beseeltes aus, was auf den Einklang zwischen Mensch und Natur hindeuten möchte.« In vielen ihrer Bilder ist Sagemüller von einem konkreten Gegenstand wie zum Beispiel einem Tisch ausgegangen. Der Blick des Betrachters kann sich hier vom vordergründig Konkreten ausgehend, in ungewissen Hintergründen, landschaftlicher Perspektiven verlieren.
Die autodidaktisch immer wieder neu beginnende Malerin hat in der Vergangenheit zahlreiche Kurse bei Woldemar Winkler, Heiner Meyer wie Marlene Richter im Aktzeichnen belegt. Sie ging stets davon aus, dass sie noch sehr viel lernen wollte und versucht momentan durch ein sehr ernsthaftes, akademisches Kunststudium im Droste-Haus, einer Freien Kunstakademie in Verl, ihren hohen, selbst gestellten Anforderungen gerecht zu werden. Ihre Stillleben und Landschaften, die Seele ansprechende Porträts und Kinderbilder, die oft in Kombination mit Tierbildern stehen, oder aber auch ihre gekonnten Darstellungen des Tiers in der Landschaft: All diese Gemälde können nicht verbergen, dass die Künstlerin, die sich beim Malen niemals überschätzen wollte, eine nicht zu unterschätzende Wirkung erzielen kann. Sie löst Empfindungen aus, die den Zugang zu einer verloren geglaubten Synthese mit dem Natürlichen ermöglichen.

Artikel vom 28.09.2005