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Heiteres Zusammentreffen kerniger Charaktere

Theater-Arbeitsgemeinschaft St. Michael: viel Applaus für Kleists »Der zerbrochene Krug«

Paderborn (WV). Erneut bewies der erfahrene Leiter der Theater-Arbeitsgemeinschaft St. Michael, Thorsten Schultze, bei der Auswahl des Stückes für sein Ensemble ein ausgesprochen glückliches Händchen. Denn die Kleistsche Komödie »Der zerbrochene Krug« machte mit ihrem Rollenrepertoire den Schauspiel-begeisterten Schülerinnen genau das passende Angebot.
Da berichtet Christa Albers unterm braven Häubchen als polternde Marthe Rull umständlich vom zerbrochenen Krug und den rätselhaften Begebenheiten der letzten Nacht. Da kann sich die eingeschüchterte Eve, im braven Dirndl von Sabrina Bieling gemimt, erst angesichts eines drohenden Unrechtsurteils aus der eingeschüchterten Naivität emanzipieren und Wahrheit sprechen, während sich ihr hitziger Verlobter in blinder Eifersucht betrogen wähnt und doch nur von ihr ganz aufrecht geliebt wird. Trotz Erkältung trug Johanna Gördemann die völlig verkehrten Schlussfolgerungen Ruprechts in verständlicher Empörung vor.
Doch nichts wäre dieses an Charakteren reiche Kleistsche Lustspiel ohne den Richter Adam an der Spitze, der übel zugerichtet und ohne Perücke zugleich als Ankläger und Angeklagter über seine eigenen nächtlichen Untaten zu Gericht sitzen muss - noch zudem in Gegenwart des unangekündigt angereisten Gerichtsrats Walter, dem der nicht ganz uneigennützig katzbuckelnde Schreiber Licht bereitwillig sekundiert. Überzeugend gestaltet Johanna Sudhoff in allen Details die kriecherisch wohlkalkulierten Auftritte des Schreibers.
Rena Waegner füllt das durchsichtige Täuschungsmanöver des lüsternen Dorfrichters Adam, der von Lüge zu Lüge poltert, beleibt, kahlköpfig und infernalisch hum-pelnd mit Leben. Am liebsten würde er den klaren Verstand des geradlinigen Gerichtsrates Walter, dem Carolina Gorecki moralische Integrität verleiht, im Weinrausch benebeln, doch der Schreiber hält sein aufklärendes Licht dagegen und als Frau Brigitte ( Nastasja Koralewicz) zu guter Letzt mit der in Rulls Garten gefundenen Perücke Adams in den Zeugenstand tritt, bleibt dem Richter nur die feige Flucht aus seiner Verlogenheit. Eve kann endlich vor ihrem geliebten Ruprecht frei sprechen: Allein um ihn vor Krieg und Heldentod zu retten, ließ sie sich auf ein Treffen mit Adam in der besagten Nacht ein, wies jedoch sein unmoralisches Ansinnen zurück, wobei der Krug zerbrach.
Eine Stunde voller Kurzweil, Wortwitz und durchschaubarer Verstellungen durften die Zuschauer am Mittwoch- und Donnerstagabend in der Aula der St. Michael-Schulen erleben. Ein flottes Spiel nach sorgfältiger Vorbereitung. Die Rosen für alle Akteure waren mehr als verdient!

Artikel vom 28.09.2005