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Korruption im Arbeitsamt

Verdacht auf Schmiergeldzahlungen - Staatsanwaltschaft ermittelt

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld/Frankfurt (WB). Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hat Ermittlungsverfahren gegen mehrere Mitarbeiter der Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Frankfurt eingeleitet. Das hat am Freitag der Sprecher der Strafverfolgungsbehörde, Oberstaatsanwalt Thomas Bechtel, bestätigt.

Es werde wegen Korruptionsverdachts ermittelt, sagte Bechtel dieser Zeitung. Es gebe Hinweise, dass sich die BA-Mitarbeiter bei der Genehmigung von Arbeitsverträgen für ausländische Beschäftigte »etwas eingesteckt haben«. Bei der Vermittlung sei auf eigene Rechnung kassiert worden, laute der Vorwurf. Nähere Einzelheiten könnten aus ermittlungstaktischen Gründen nicht genannt werden, sagte Bechtel.
Die Regionaldirektion Hessen ist für die Genehmigung von Werkverträgen zuständig, die von ungarischen, rumänischen, tschechischen und slowakischen Unternehmen in Deutschland ausgeführt werden. In der betroffenen Abteilung sind acht Mitarbeiter beschäftigt.
Nach Informationen dieser Zeitung soll es sich bei der Bundesagentur für Arbeit um vier Beschuldigte handeln. Sie sollen in Zusammenhang mit der Einschleusung von ungarischen Arbeitern, die als Billigkräfte in der Fleischindustrie, im Baugewerbe und der Metallverarbeitung eingesetzt wurden, Vorteile genossen haben. Die Mitarbeiter sollen zu besonderen Anlässen, wie zu Weihnachten und an Geburtstagen, Aufmerksamkeiten von ungarischen und deutschen Scheinfirmen erhalten haben. Den Verantwortlichen dieser Firmen wird vorgeworfen, im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gewerbs- und bandenmäßig die Ungarn eingeschleust zu haben.
Die Aufmerksamkeiten sind vermutlich von 1999 bis 2005 gewährt worden. Bei einer Telefonüberwachung seien vier Fälle dokumentiert worden, in denen jeweils 100 Euro Schmiergeld gezahlt wurden, hieß es.
Nach Angaben von Ermittlern ist auch in Ungarn Beweismaterial sichergestellt worden. Aus den Unterlagen gehe hervor, dass Arbeitervermittler staatliche Stellen in Ungarn geschmiert hätten, um bestimmte Bescheinigungen zu bekommen.
Die Unterlagen aus Ungarn würden derzeit von der Staatsanwaltschaft Memmingen ausgewertet, sagte Oberstaatsanwalt Johann Kreuzpointer dieser Zeitung. Die Staatsanwaltschaft Memmingen führt ein Strafverfahren gegen den beschuldigten Arbeitervermittler Sandor S. aus Ungarn.
Die Bundesagentur für Arbeit blieb am Freitag bei ihrer Darstellung, dass sie keine Kenntnis von Korruptionsverfahren oder Korruptionshinweisen habe. Man stehe aber ständig in Kontakt mit den zuständigen Staatsanwaltschaften München und Frankfurt, sagte BA-Sprecher Ulrich Waschki. Da es sich um ein laufendes Verfahren handele, könnten keine weiteren Auskünfte gegeben werden. Nach Informationen dieser Zeitung sind die Korruptionsbeauftragten der BA über die Vorwürfe aber bereits informiert worden.
Die Hinweise auf Korruption hatten sich bei einem der größten Verdachtsfälle von Wirtschaftskriminalität in Deutschland ergeben. Bei einer bundesweiten Razzia der Zollbehörden gegen illegale Beschäftigung und Lohndumping waren am 26. April bei Durchsuchungen und Kontrollen in 134 Objekten fünf Hauptbeschuldigte und zwei Tatverdächtige vorläufig festgenommen worden.
Den Beschuldigten wird vorgeworfen, seit 2000 mindestens 1500 ungarische Arbeiter in die Bundesrepublik Deutschland eingeschleust zu haben. Es soll ein Volumen von mehr als 100 Millionen Euro unrechtmäßig erwirtschaftet sowie 20 bis 30 Millionen Euro Steuer und Sozialversicherungsabgaben hinterzogen worden sein. Bei der Razzia war ein Vermögen in Höhe von 14 Millionen Euro gesichert worden.

Artikel vom 24.09.2005