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Orlando schmachtet, der Narr schwäbelt

»Wie es euch gefällt«: Schauspieler Mathias Reiter brilliert erneut in Shakespeare-Rolle

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Es ist wüst und chaotisch, geliebt wird kreuz und quer, ganz »Wie es euch gefällt«. Mit diesem Titel suggeriert William Shakespeare die Möglichkeit zu wählen, sich die Liebe seines Lebens auszusuchen. Dass es weder zu Shakespeares Zeiten noch heute so ist, dass zeigt das Theater Bielefeld mit der Komödie.

Bei der Premiere im Theater am Alten Markt (TAM) unter der Regie von Intendant Michael Heicks brillierte - erneut in einer Shakespeare-Rolle - Mathias Reiter als Orlando mal liebeskrank, mal trotzig-depressiv, meist blind, nur um Herz und Hand seiner allerliebsten Rosalinde zu erobern. Rosalinde, überzeugend gespielt von Christina Huckle, versucht Ordnung in ihre Beziehungen zu bekommen, verfängt sich aber im eigenen Netz. Benjamin Armbruster (Ringer/Sohn/Schäfer) bleibt es überlassen, zum Schluss die Fäden zu entwirren, so dass jeder einen Partner oder zumindest sich selbst gefunden hat. »Wie es euch gefällt« ist keine Burleske, aber es darf natürlich gelacht werden, vor allem, weil Stefan Hufschmidt, Thomas Wolff und Harald Gieche, der als gebürtige Schwabe richtig schwäbeln und von Rostbraten mit Spätzle schwadronieren kann, die Komödianten heraus kehren dürfen. Gieche alias Touchstone der Narr kommt der Narrenpflicht nach, das Wer mit Wem aufzudröseln: »Es ging um eine Frau, ich hatte sie, er wollte sie, sie wollte mich, ich wollte eine andere, die wollte einen Dritten, der wollte seine Ruhe und sonst nichts.«
Die Akteure - es spielen mit Max Grashof, John Wesley Zielmann, Paul Keller, Ulrike Müller und als bezaubernde Celia Ines Buchmann - verfangen sich zunächst in den Regeln der Gesellschaft, kommen darauf ins Schlittern und Rutschen - Bühnenbildnerin Annette Breuer hat dafür als Symbol ein Tuch gewählt - und suchen dann Schutz im Wald, ihrer Utopie von einem perfekten Leben. Jeder soll nach seiner Façon selig werden - oder jedenfalls so, wie es sich praktischerweise ergibt. Mit ihren Kostümen trägt Hildegard Altmeyer zum Verwirrspiel bei: Wer ist wer, wer Mann, wer Frau, wer wäre gern etwas anderes? Michael Heicks griff bei seiner Inszenierung auf eine erst zwei Jahre alte Shakespeare-Übersetzung zurück. Damit ist William im heute angekommen, ohne dass der Shakespeare auf der Strecke bleibt. Die Probleme im Wald von Arden waren dieselben wie Heute auch - man kratzte allerdings noch Herzchen in Bäume statt SMS zu schicken.

Artikel vom 19.09.2005