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Felix Wiegers fragte für Forsa in Bad Lippspringe

Einige durften zweimal wählen

Forsa und Infratest fragten noch einmal nach in Bielefeld und Lippspringe

Von Uwe Koch
und Reinhard Brockmann
Bielefeld/Bad Lippspringe (WB). Gut 200 Wähler in Bielefeld und Bad Lippspringe haben zweimal gewählt - einmal offiziell und Minuten später für die Wahlforschung.

Im Namen des Dortmunder Forsa-Instituts bat Student Felix Wiegers (23) gestern jeden achten der 1031 Wahlberechtigten gleich neben der Maximilian-Kolbe-Kirche in Bad Lippspringe um Auskunft. Nicht der Name, wohl aber die Wiederholung von Erst- und Zweitstimme sowie sieben weitere Kreuzchen waren gefragt. Wie 2002 gewählt wurde, ob berufstätig, angestellt, Gewerkschaftsmitglied und einer Religion zugehörig möchte Forsa ebenso wissen, wie Alter und Geschlecht. Später werden daraus nicht nur ziemlich sichere Vorhersagen, sondern auch Modelle über Wählerwanderungen und Parteienprofile.
Die gleichen Nachfragen hatten in Bielefeld der Unternehmensberater Mario Hülsmann und sein Vater Horst Hülsmann für Infratest dimap. Ihr Revier: Unmittelbar vor dem Wahllokal 002.1 im Stadtarchiv. Warum ausgerechnet dieser Stimmbezirk mit 1588 Wählern ausgesucht wurde? Die Entscheidung basiert auf einer Zufallsauswahl, die sich nach Regionen und Stärke der Parteien richtet. Grundlage waren zudem die gültigen Stimmen der zurückliegenden vergleichbaren Wahlen. Deren möglichst exakte Abbildung war entscheidend für die Genauigkeit der Prognose.
Bei Landtagswahlen variiert die Größe der Stichprobe von Infratest dimap zwischen 120 und 200 Stimmbezirken. Bei der Landtagswahl im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen waren es schon 280 Stimmbezirke, bei der gestrigen Bundestagswahl fiel die Wahl auf 580 der insgesamt etwa 80 000 bundesdeutschen Wahllokale.
Präziser als jede Umfrage vor der Wahl ist die Befragung direkt nach der Stimmabgabe. Das nutzen die Institute, um die um 18.00 Uhr veröffentlichte Prognose so nah wie möglich an das tatsächliche Wahlergebnis heranzuführen.
Und es geht um mehr als nur das Herzschlagfinale, wenn ARD, ZDF und RTL am frühen Abend um Glockenschlag sechs die ersten Zahlen verbreiten und Jubel wie Entsetzen auslösen.
Felix Wiegers hat an seiner Station 224 ebenso wie tausende andere Interviewer in ganz Deutschland im Laufe des Tages drei Hauptdurchgaben zu machen. 11 Uhr, 14 Uhr, 17.30 Uhr. Auch tagsüber werden schon Prognosen erstellt. Gerhard Schröder, Angela Merkel und alle anderen gut zahlenden Kunden erhalten bereits um 15 Uhr die erste streng vertrauliche Prognose. Wegen des Wahlgeheimnisses und der Beeinflussungsgefahr müssen diese relativ aussagestarken Trends solange Verschlusssache bleiben, wie die Wahllokale geöffnet sind.
Für Wiegers und die Hülsmanns war der lange Tag gestern mit Schließung der Wahllokale immer noch nicht zu Ende. Sie protokollierten auch noch die öffentliche Auszählung in ihrem Stimmbezirk. Diesen Zahlen ergaben dann die letzte Meldung. Aus der Prognose wurde die erste Hochrechnung.

Artikel vom 19.09.2005