13.09.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Palästinenser feiern den Abzug Israels aus dem Gazastreifen

»Wichtigster Tag unserer Geschichte« - verlassene Synagogen angezündet

Gaza/Tel Aviv (dpa/Reuters). Zehntausende Palästinenser haben gestern mit Freudenfesten in den geräumten Siedlungen den Abzug der letzten israelischen Truppen aus dem Gazastreifen gefeiert.
Mit lautstarkem Jubel und Freudenschüssen drangen in den frühen Morgenstunden tausende von Menschen in die ehemaligen jüdischen Ortschaften ein. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sprach von dem »wichtigsten Tag in der palästinensischen Geschichte«. Ein Teil Palästinas sei nun befreit. »Wir hoffen, dass dasselbe mit dem Westjordanland und Jerusalem geschehen wird«, sagte der Präsident.
Er erinnerte auch daran, dass noch sehr viele Probleme im Westjordanland zu lösen seien. Unter anderem nannte er die jüdischen Siedlungen, die Grenzanlagen, das Problem der Flüchtlinge und der Häftlinge in israelischen Gefängnissen.
In den frühen Morgenstunden hatte nach 38 Jahren Besatzung der letzte israelische Soldat das Palästinensergebiet verlassen, das Tor am Grenzübergang Kissufim wurde verschlossen. Kurz zuvor war der letzte Militärkonvoi aus dem Gebiet gefahren, wie eine Armeesprecherin bestätigte.
Mehrere leere Synagogen in den Siedlungen wurden von feiernden Palästinensern in Brand gesetzt, auch an zahlreichen anderen Stellen im Gazastreifen loderten in der Nacht große Feuer. Tausende von Schaulustigen besichtigten auch tagsüber die größtenteils zerstörten Siedlungen, Augenzeugen berichteten von Plünderungen.
Der israelische Außenminister Silwan Schalom verurteilte das Niederbrennen der zurückgelassenen Synagogen durch militante Palästinenser als »barbarischen Akt«. Der israelische Oppositionsführer Jossi Sarid warf der Regierung jedoch Heuchelei vor. Sie habe die Synagogengebäude in der Absicht intakt gelassen, sie von den Palästinensern abreißen zu lassen. Die Regierung hatte am Sonntag nach interner Kritik beschlossen, die mehr als 20 leer geräumten Synagogengebäude nicht zu zerstören.
Nach dem Abzug gingen die israelischen Truppen im Grenzgebiet um den Gazastreifen in Position. Israel kontrolliert weiter die Grenzübergänge und den Luftraum des Palästinensergebiets. Nach Augenzeugenberichten überquerten jedoch am Nachmittag hunderte von Palästinensern und Ägyptern die Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten und fielen sich in die Arme. Sie seien daran nicht von den ägyptischen Grenzsoldaten gehindert worden, die zur Bewachung des so genannten Philadelphi-Korridors stationiert worden waren.
Die israelische Armee dementierte gestern Nachmittag Medienberichte, denen zufolge militante Palästinenser kurz nach dem Abzug eine Kassam-Rakete auf eine israelische Grenzstadt abfeuerten. »Es gab keinen Raketenangriff«, sagte eine Armeesprecherin. Israelische Repräsentanten hatten nach den Berichten gewarnt, Israel werde hart auf jede palästinensische Attacke reagieren und die Autonomiebehörde in die Pflicht nehmen. Verteidigungsminister Schaul Mofas kündigte »null Toleranz« bei neuen Angriffen an.
Die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas forderte die arabischen Staaten auf, ihre Beziehungen zu Israel nach dem Abzug aus dem Gazastreifen nicht zu normalisieren. »Die Reise ist noch weit«, sagte der Hamas-Führer Ismail Hania gestern in der Stadt Gaza.
Es ist das erste Mal, dass Israel Boden aufgibt, den die Palästinenser für einen eigenen Staat beanspruchen. In dem verarmten Gaza-Gebiet leben 1,4 Millionen Palästinenser. An den meisten der 120 Siedlungen im noch besetzten Westjordanland will Ministerpräsident Scharon dagegen festhalten. Die Palästinenser fordern jedoch auch dort einen vollständigen Abzug der Israelis. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 13.09.2005