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Ihr plötzlicher Tod sorgt für Verwirrung: NPD-Kandidatin Kerstin Lorenz.
Die Dresdner NPD schickt Franz Schönhuber als Direktkandidaten ins Rennen.

Wahlergebnis lässt sich
nicht geheim halten

Experten uneinig - Beeinflussung unvermeidbar

Berlin (Reuters). Unter Verfassungsrechtlern herrscht Uneinigkeit darüber, ob das Ergebnis der Bundestagswahl trotz der notwendigen Nachwahl in einem Dresdner Stimmbezirk veröffentlicht werden darf. Unterdessen will die Dresdner NPD den früheren Chef der rechtsextremen Republikaner, Franz Schönhuber, als Direktkandidaten ins Rennen schicken.

Der Berliner Staatsrechtler Christian Pestalozza forderte am Freitag, die Stimmverteilung am 18. September zunächst unter Verschluss zu halten. Es sei verfassungsrechtlich bedenklich, wenn die Bürger in dem betroffenen Dresdner Wahlkreis später auf der Grundlage des bundesweiten Ergebnisses wählen könnten. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Ernst Gottfried Mahrenholz sagte, eine Beeinflussung der Dresdner lasse sich zwar nicht vermeiden. Die Ergebnisse müssten aber in jedem Fall veröffentlicht werden.
FDP-Generalsekretär Dirk Niebel nannte es weltfremd, das Abstimmungsverhalten unter Verschluss halten zu wollen. In einem der beiden Dresdner Wahlkreise muss die Wahl nach dem Tod der NPD-Direktkandidatin Kerstin Lorenz verschoben werden. Die Wahl wird dort am 2. Oktober nachgeholt.
Staatsrechter Pestalozza kritisierte, die Wähler in der sächsischen Hauptstadt könnten ihre Stimme viel gezielter einsetzen, wenn sie wüssten, wie im Rest des Landes abgestimmt worden sei. »Dadurch sind Freiheit und Gleichheit der Wahl beeinträchtigt.« Seine Empfehlung an den Bundeswahlleiter laute daher, dass er von der Bekanntmachung der Ergebnisse am Wahlsonntag absehen sollte. Die Stimmen würden dann normal ausgezählt, aber nicht bekannt gegeben. Auch Hochrechnungen seien nicht zugelassen.
Ex-Verfassungsrichter Mahrenholz sagte, es gebe keine Vorschrift, die die Veröffentlichung verbieten würde. Im strengen Sinne seien die Wahlen zwar nicht mehr gleich. »Man weiß nur nicht in welcher Hinsicht sie nicht mehr gleich sind. Schafft das vielleicht den letzten Aufputsch für diese oder jene Partei, es doch noch zu schaffen?«
Nach dem Tod der NPD-Kandidatin Kerstin Lorenz musste für den Wahlkreis 160 (Dresden I) die Bundestagswahl am 18. September wie berichtet abgesagt werden. Die NPD will am kommenden Mittwoch Franz Schönhuber als ihren neuen Kandidaten offiziell nominieren.
Schönhuber war mehr als ein Jahrzehnt eine Schlüsselfigur der rechten Szene in Deutschland. 1983 gründete er mit CSU-Abtrünnigen die Republikaner und wurde ihr Chef. 1989 kam die Partei ins Berliner Abgeordnetenhaus und mit Schönhuber ins Europaparlament. Nach jahrelangem Richtungsstreit und Querelen um seinen Führungsstil kehrte er 1995 der eigenen Partei den Rücken. Der Journalist wurde nach seinem Buch, in dem er seine Vergangenheit in der Waffen-SS verteidigte, vom Bayerischen Rundfunk fristlos entlassen. Heute arbeitet Schönhuber als Buchautor und lebt im oberbayerischen Kreuth.

Artikel vom 10.09.2005