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Wähler in Dresden könnten
Zünglein an der Waage sein

Verschiebung der gesamten Wahl unzulässig - Selbst Experten rätseln

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Von »unbedeutend« bis »wahlentscheidend« reichten gestern die Einschätzungen der Experten zum verschobenen Urnengang im Wahlkreis Dresden I.
Verstorbene Kandidatin: Irene Schneider-Böttcher

Einig waren sich die Fachleute allein darin, dass alles möglich und die Zahl der denkbaren Varianten groß, die Sicherheit der Voraussagen aber gering ist.
Fakt ist: Wenn ein Direktkandidat für ein Bundestagsmandat kurz vor der Wahl stirbt, muss der Kreiswahlleiter die Wahl absagen und eine so genannte Nachwahl anordnen. So sieht es das Gesetz vor. Entscheidend für die gesetzten Fristen sind weniger die organisatorischen Vorkehrungen bei den Kommunen als die erforderlichen Zeiträume für Briefwähler. Eine Verschiebung der gesamten Bundestagswahl in ganz Deutschland ist ebenfalls per Gesetz ausgeschlossen. Der Tod eines anderen Direktkandidaten irgendwo in Deutschland könnte schließlich auch einen zweiten und jeden weiteren angesetzten Termin in Frage stellen.
Die Nachwahl im betreffenden Wahlkreis muss spätestens sechs Wochen nach dem eigentlichen Wahltag stattfinden. Den Termin setzt der Landeswahlleiter fest. Dieses Verfahren ist in Paragraf 43 des Bundeswahlgesetzes (BWG) und Paragraf 82 der Bundeswahlordnung (BWO) geregelt.
Nach Paragraf 82 BWO kann die Vertrauensperson des gestorbenen Direktkandidaten »binnen einer zu bestimmenden Frist« einen Ersatz-Bewerber benennen - eine solche Vertrauensperson müssen Kandidaten bereits bei ihrer Bewerbung bestimmen. Für den neuen Kandidaten müssen keine neuen Unterstützer-Unterschriften eingereicht werden.
Ansonsten findet die Nachwahl nach Paragraf 43 BWG »nach denselben Vorschriften und auf denselben Grundlagen wie die Hauptwahl statt«. Es gelten also die für die eigentliche Wahl aufgestellten Wählerverzeichnisse, die festgelegten Wahlbezirke, die gleichen Wahlräume und Wahlvorstände. Allerdings müssen neue Wahlscheine ausgegeben werden, bereits abgegebene Briefwahl-Stimmen werden vernichtet.
Wenn die Bundestagswahl in einem Wahlkreis oder Wahlbezirk »infolge höherer Gewalt oder aus sonstigem Grund nicht durchgeführt werden kann« (Paragraf 82 BWO), muss die Nachwahl spätestens drei Wochen nach dem eigentlichen Termin stattfinden.
Wegen des komplizierten Wahlsystems kann das Ergebnis in Dresden sogar Auswirkungen auf die Anzahl der Listensitze in anderen Bundesländern, die Überhangmandate und die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag insgesamt haben. Die NPD muss nun einen neuen Bewerber benennen, die Kandidaturen der anderen Parteien bleiben bestehen. Der Kreis der Wahlberechtigten bleibt unverändert, so dass bis zur Nachwahl volljährig gewordene oder in Dresden neu zugezogene Deutsche nicht wählen können.

Artikel vom 09.09.2005