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»Er kommt vor Gottes Gericht«

Rocker-Boss nach tödlichen Schüssen vom Totschlags-Vorwurf freigesprochen

Von Christian Althoff
Espelkamp (WB). Ihr Sohn ist tot. Und der Mann, der ihn erschossen hat, ist gestern vom Totschlags-Vorwurf freigesprochen worden. »Aber er wird irgendwann vor einem höheren Richter stehen und sich vor Gott verantworten müssen«, sagt Elfriede Banmann (55) aus Espelkamp mit fester Stimme.
»Bandidos«-Präsident Wolfgang E. ist frei.

Willi Banmann (30) war am 16. Juli 2004 Opfer eines Bandenkrieges zwischen den »Bandidos« aus Osnabrück und den »Outlaws« aus Löhne geworden. Die Motorradfahrer waren verfeindet, nachdem die »Outlaws« den Sitz ihres Clubs aus dem Kreis Herford nach Osnabrück verlegt hatten und damit in ein fremdes »Revier« eingedrungen waren. In diesem Rockerkrieg hatten Willi Banmann und seine Freunde nachts mit Knüppeln gegen die Haustür von »Bandidos«-Präsident Wolfgang E. (46) geschlagen. Der war mit einer Pistole nach draußen gestürmt. »Als ich einen Schatten mit einem Knüppel auf mich zufliegen sah, habe ich geschossen - in Notwehr«, hatte er ausgesagt.
»Bis zum Tod unseres Sohnes haben wir nicht geahnt, dass es in diesen Motorradclubs Regeln gibt, die mit Gewalt durchgesetzt werden«, sagt Walter Banmann (59), der von seinem Garten aus den Friedhof sehen kann, auf dem sein ältester Sohn ruht. Als Nebenkläger hatten Walter Banmann und seine Frau an fast allen 25 Verhandlungstagen im Osnabrücker Landgericht gesessen, und auch die drei Brüder und zwei Schwestern des Getöteten verfolgten den Prozess so oft sie konnten. »Uns hat gestört, dass der Angeklagte jedesmal mit seinen Freunden auf den Zuschauerbänken gescherzt hat - so, als bedeute ihm der Tod unseres Sohnes gar nichts«, sagt der Vater. Der »Bandidos«-Präsident hatte den Eltern zwar geschrieben, dass ihm die Tat leid tue, »aber sollen wir ihm das glauben?«, fragt die Mutter. Sie hatte im Gerichtssaal immer wieder den Blickkontakt zu Wolfgang E. gesucht, »aber er ist mir ausgewichen.«
Weil Willi Banmanns Freunde im Moment der beiden Schüsse hinter einer Hecke standen, gab es außer dem Angeklagten keinen Zeugen der Tat. Das Gericht kam deshalb nach neun Monaten zu dem Schluss, die Notwehr-Version sei nicht zu widerlegen. Obwohl der Staatsanwalt genug belastende Umstände gesehen hatte, um fünf Jahre und acht Monate Haft zu fordern. Für den illegalen Waffenbesitz verhängte das Gericht eine neunmonatige Bewährungsstrafe gegen Wolfgang E.
Als hilfsbereiten, lebensfrohen Menschen - so wollen Eltern und Geschwister Willi Banmann in Erinnerung behalten. Sie haben ihr Lieblingsfoto von ihm vergrößern lassen, um damit seinen Grabstein zu schmücken.

Artikel vom 09.09.2005