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Erster Silberstreif am Horizont

In New Orleans geht Wasserstand langsam zurück - Insektizid-Einsatz?

New Orleans (dpa). In den Hurrikan-Gebieten beginnt der Wasserspiegel zu sinken, aber zugleich wächst die Furcht vor dem, was die Fluten freigeben. Mehr als eine Woche nach »Katrinas« Angriff schließt der Bürgermeister von New Orleans, Ray Nagin, nicht aus, dass bis zu 10 000 Menschen ihr Leben verloren haben.

In der Lagerhalle der Kleinstadt Saint Gabriel in Louisiana wurde eine riesige Leichenhalle eingerichtet, die 5000 Tote aufnehmen soll. Ein Team aus 100 Mitarbeitern soll in Schichten rund um die Uhr die Toten identifizieren. Offiziell liegen die Zahlen noch bei wenigen hundert, aber auch die Gouverneurin von Louisiana, Kathleen Blanco, äußerte erneut die Erwartung, dass sie in die Tausende gehen wird.
Nach Tagen andauernder Gewalt in New Orleans wurde die Stadt gestern für sicher erklärt. Der hellste Silberstreif am Horizont aber war das Sinken des Wasserstands. Nachdem die Reparatur von zwei gebrochenen Deichen gelungen war, begannen Heerespioniere damit, das Wasser mit Pumpen aus New Orleans abzusaugen und in den Pontchartrain-See zurückzuleiten. In manchen Straßen sank der Wasserspiegel binnen weniger Stunden um fast 25 Zentimeter, und an einigen Stellen konnten die Rettungs- und Bergungsmannschaften erstmals trockenen Fußes ihre Suche nach Lebenden und Toten fortsetzen.
Bürgermeister Nagin sagte im US-Fernsehen, nach Wut und Verzweiflung sehe er nun Zeichen für eine Wende. Zugleich fürchte er das, was sich unter dem verseuchten Wasser verberge: »Es wird schrecklich werden und wird die Nation erneut aufrütteln.«
Nagin warnte auch vor Epidemien. Leichen verwesten im Wasser, Mücken brüteten in den überfluteten Regionen und verbreiteten dann neue Krankheiten. Nach Angaben des Bürgermeisters wird es insgesamt Monate dauern, die Stadt auszutrocknen und anschließend Schutt und Trümmer wegzuräumen. Bis die Elektrizitätsversorgung wiederhergestellt sei, würden bis zu zwei Monate vergehen.
Nach EU-Angaben verzögern Probleme der US-Behörden bei der Koordinierung der Katastrophenhilfe die technische Unterstützung aus Europa. So seien die deutschen Hochleistungspumpen inzwischen in den USA eingetroffen, aber bislang nicht zum Einsatz gekommen.
Fortschritte gab es bei der weiteren Evakuierung der Katastrophengebiete, auch wenn noch Tausende auf ihre Rettung warteten und viele sich weigerten, ihre Häuser zu verlassen. Angesichts der gewaltigen Flut von Flüchtlingen sollen etwa 4000 Menschen auf zwei Luxusschiffen der weltgrößten Kreuzfahrtlinie Carnival untergebracht werden. Ein drittes Schiff wurde bereits gechartert.
US-Präsident George W. Bush hat eine unmittelbare Untersuchung der nur schleppend angelaufenen Hilfe nach dem Hurrikan »Katrina« abgelehnt. Denen, die das jetzt forderten, gehe es nur um Schuldzuweisungen. Zuvor hatte das Weiße Haus mit Notstandsregelungen in acht weiteren Bundesstaaten den Weg für die Vergabe von Bundesgeldern für die Flüchtlingshilfe freigemacht.
Im Pentagon gibt es CNN zufolge Überlegungen, die überfluteten Gebiete mit Insektiziden zu besprühen. Damit solle die Vermehrung der Mücken gestoppt werden, die unter anderem das West-Nil-Virus verbreiten, das Hirnhautentzündung auslösen kann. Im Flutwasser in New New Orleans sind nach Informationen von CNN E-Coli-Bakterien entdeckt worden. Mit Kolibakterien verschmutztes Trinkwasser kann lebensbedrohliche Erkrankungen auslösen.

Artikel vom 07.09.2005