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Das Duell der kahlen Köpfe

US-Fans mit Herz-Problemen: Andre Agassi trifft auf James Blake

New York (dpa). Auf die Tennisfans kommen bei den US Open schwere Stunden zu.

Mit Ovationen haben sie ihre Lieblinge wie auf Flügeln durch die ersten Runden getragen. Doch nun müssen sie sich schweren Herzens entscheiden: zwischen Andre Agassi und James Blake. Die beiden Kahlköpfe aus den USA stehen sich heute im Viertelfinal-Duell gegenüber.
Wem aber sollen die Zuschauer ihr Tennis-Herz schenken? Dem 35-jährigen »Oldie« und Familienvater aus Las Vegas, der zum 20. Mal ohne Unterbrechung dabei ist und als ältester Spieler nach Jimmy Connors 1991 die vierte Runde überstand? Der zum 13. Mal ins Viertelfinale stürmte und als Champion vermutlich für immer Abschied nehmen würde?
Oder doch dem vom Schicksal so hart geprüften Rückkehrer, der sich bei einem Trainingsunfall im Mai 2004 in Rom einen Halswirbel brach und dem danach drohte, im Rollstuhl weiter leben zu müssen? Der in Folge einer rätselhaften Viruserkrankung fast erblindet wäre und im Gesicht halbseitig gelähmt war? Dessen wegen seines nimmermüden Kampfes gegen alle Hindernisse des Lebens zum Vorbild gewordene Vater unlängst gestorben ist?
»Keiner hat es mehr verdient, dass man ihn unterstützt. Wenn ich verlieren müsste, dann gäbe es keine bessere Person als ihn«, sagte Agassi. »Er ist ein netter Kerl. Es fällt leicht, ihn zu mögen.« Es sind diese Statements des einstigen »Piraten«, der als Gegenpart zu Pete Sampras lange als Flegel und Exzentriker verschrien war, die ihn bei den Fans so beliebt machen.
Dabei hatte er sie gegen Xavier Malisse mächtig auf die Folter gespannt. Als Agassi im Tiebreak des dritten Satzes mit 5:3 in Führung lag, schien der Sack zugemacht zu sein. Doch da hatte er die Rechnung ohne den Wirt aus Belgien gemacht; und auf der Tribüne bekam Steffi Graf Sorgenfalten. Erst das Break zum 3:1 im fünften Satz ließ sie ruhiger werden und wieder mehr Zeit für die beiden Kinder finden.
Als Agassi nach 2:55 Stunden dem 46. Fünfsatzmatch seiner Karriere mit dem 24. Erfolg ein Ende machte, ging der Jubel über in die Begrüßung für James Blake, der es im anschließenden Match im Arthur-Ashe-Stadion mit dem Spanier Tommy Robredo zu tun bekam. »Ich habe immer noch das Gefühl zu träumen«, sagte der 25-Jährige nach seinem 4:6, 7:5, 6:2, 6:3-Erfolg. Dass er nun gegen Agassi antreten darf und ihm womöglich die Chance auf den dritten Titel verdirbt, kümmerte ihn in diesem Moment wenig.
Ebenfalls um den Einzug ins Halbfinale kämpfen Guillermo Coria und Haas-Bezwinger Robby Ginepri. Der Argentinier Coria besiegte im bislang längsten Match der 125. US Open Olympiasieger Nicolas Massu aus Chile in 4:32 Stunden. Ebenfalls fünf Sätze benötigte der 20-Jährige Ginepri aus den USA, ehe er den ein Jahr jüngeren Franzosen Richard Gasquet geschlagen hatte.
Überraschend besiegte Mary Pierce (Frankreich) Justine Henin-Hardenne (Belgien) 6:3, 6:4.

Artikel vom 07.09.2005